Abstract
Bereits in den 1990er Jahren haben Künstler vor allem in Moskau versucht, den öffentlichen Raum für die Gegenwartskunst jenseits von politischer Propaganda (zurück-) zu erobern, wobei die Barrikade der Gruppe Radek und ihre Besetzung des Lenin-Mausoleums oder Aleksandr Breners Aufforderung an Boris Jelzin zu einem Boxkampf auf dem Roten Platz nur einige wenige Aktionen unter vielen sind. Doch zu einem regelrechten Rückeroberungsdiskurs kam es erst im Zuge der Gerichtsprozesse gegen Kunst, Künstler und Kuratoren in den 2000er Jahren. Während des Prozesses gegen die Organisatoren der Ausstellung Verbotene Kunst 2006 schufen junge russische Künstler eindringliche, oft auch plakative Bilder in Form von Performances und Aktionen um auszudrücken, was sie von dem Prozess halten. Außerhalb des Gerichtsraums sind es in jüngster Zeit vor allem Künstlergruppen wie Vojna und Pussy Riot, aber auch einzelne Künstler wie Petr Pavlenskij, die sehr bewusst und offensiv öffentliche, politisch oder historisch aufgeladene Orte mit ihren Aktionen besetzen, um künstlerische und zugleich zivilgesellschaftliche Kritik am Staat und seinen Gewalten zu üben. Der Vortrag möchte einen kurzen Überblick über diese Aktionen geben und wird versuchen, sie vor dem Hintergrund immer restriktiver werdender gesellschaftlicher Kunstnormierungspraktiken einzuordnen.