Abstract
Fragen wir uns, in welchen Fällen es angemessen und gerechtfertigt ist, das von Personen Gesagte (oder auf Büchern, Artikeln oder Webseiten Geschriebene) als eigene Überzeugung zu akzeptieren, so ist unumstritten, dass Vertrauen in diese Quellen meist angemessenen Wissenserwerb aus zweiter Hand („knowledge by testimony“) begleitet, Misstrauen hingegen einhergeht mit berechtigter Vorsicht und Skepsis. Umstrittener ist aber die in letzter Zeit intensiv diskutierte These, eine bestimmte Konzeption solchen Vertrauens zur Basis der grundsätzlichen Rechtfertigung von Wissenserwerb aus zweiter Hand zu machen. Ich erläutere in diesem Beitrag, wie diese Vorschläge vor dem Hintergrund der erkenntnistheoretischen und insbesondere empiristischen Tradition motiviert sind und welchen Konzeptionen von Vertrauen solche rechtfertigende Funktionen zugewiesen werden. Anschliessend zeige ich anhand von Schwächen dieses Modells, dass der theoretische Druck, eine reiche, moralisch aufgeladene Vertrauenskonzeption für die Rechtfertigung von Wissen aus zweiter Hand anzusetzen, erheblich kleiner wird, wenn wir dieses Modell ersetzen durch eine Auffassung von Aussagen (Wissensäusserungen) als normative, sanktionierbare sozial instituierte Handlungstypen.