Abstract
Fremd- und Vieltuerei, griechisch Allotrio- und Polypragmosyne, bilden ein Begriffspaar, das auf das 5. Jahrhundert v. Chr. zurückgeht. Bei Platon, Herodot oder Aristophanes, um nur einige zu nennen, wird damit eine Form von gesteigerter Aktivität umrissen, die unmittelbar die gesellschaftliche Ordnung tangiert. Wer sich in dieser Art verhält, dem wird nachgesagt, hyperaktiv zu sein und sich in fremde Angelegenheiten einzumischen. Die psychische Disposition des Polypragmon gilt dabei als Ursache für Unruhe, Imperialismus und die Herausbildung demokratischer Verhältnisse. In den frühen Verwendungen ist das Begriffspaar vorwiegend negativ konnotiert, und auch in einer langen philosophischen Tradition stehen Fremd- und Vieltuerei in Verruf. Warum? Im vorliegenden Band wird − etwa in kritischer Auseinandersetzung mit den Dialogen Platons − untersucht, inwiefern die diskreditierte Fremd- und Vieltuerei allenfalls besser ist als ihr Ruf. Könnte es sein, dass der Fremd- und Vieltuer eine kritische Position gegenüber Machtstrukturen und Autoritäten repräsentiert und so möglicherweise einen konstruktiven Beitrag zugunsten von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat leistet?