Abstract
Durch geschickte Bezugnahme auf die antike Vergil-Kritik und insbesondere auf den dort verhandelten Diskurs über die moralische Integrität des grossen Dichters und seines Werkes versteht es Ausonius, die pornographisch-obszöne Passage seines Hochzeits-Cento, die Defloration der Braut (Cent. 101–131), spielerisch zu entschärfen. Die sowohl impliziten wie expliziten Referenzen auf die in der Schultradition als Heuchler und Pedanten desavouierten obtrectatores Vergilii übernehmen im Text eine zentrale apologetische Funktion, indem in satirischer Übersteigerung einer bestimmten Rezeptionshaltung potentielle Obszönitätsvorwürfe auf den Leser zurückgeworfen werden. Zugleich wird durch Ausonius’ manipulative Leserführung aber gewährleistet, dass den Rezipienten weder die sexuelle Allegorese der imminutio noch die des vergilischen Prätextes entgeht.