Abstract
Fragestellung: Längsschnittstudien zeigten, dass kriminelles Verhalten von Jugendlichen häufig mit einem Umfeld bezogener und familiärer Belastung einhergeht, insbesondere bei Mädchen. In dieser Studie haben wir den psychosozialen Hintergrund von jugendlichen Inhaftierten erhoben und geschlechtsspezifisch ausgewertet. Methodik: Das Multidimensional Clinical Screening Inventory for delinquent juveniles (MCSI) wurde angewandt, um Schulanamnese, psychiatrische Anamnese, den familiären Hintergrund sowie belastende Erlebnisse und das Deliktmotiv zu erheben. Die endgültige Stichprobe umfasste 294 Jugendliche (46 Mädchen und 248 Jungen). Ergebnisse: Innerfamiliärer Missbrauch/Verlust wurde von 91 % (Mädchen) und 79 % (Jungen) angegeben. 76 % (Mädchen) und 88 % (Jungen) gaben ein Schulproblem an. 57 % (Mädchen) und 29 % (Jungen) gaben psychische Vorbehandlung an. Signifikant höhere Prävalenzraten fanden sich bei Mädchen bezüglich der elterlichen Trennung, Inhaftierungen der Mutter, bei Missbrauch/Verlust und psychischer Vorbehandlung. Signifikant mehr Mädchen als Jungen gaben zugleich schulische Probleme und Verlust- sowie Missbrauchserlebnisse an (65.2 % vs. 46.4 %, χ² = 5.51, df = 1, p < .05). Schlussfolgerung: Inhaftierte Jugendliche, insbesondere Mädchen, waren und sind multiplen psychosozialen Belastungen ausgesetzt. Es besteht daher die Notwendigkeit, Präventionsarbeit in psychosozial belasteten Familien zu leisten. Auch in der Behandlung in und nach der Haft muss das Umfeld im Rahmen sozialpsychiatrisch-familienzentrierter als auch forensischer Intervention berücksichtigt werden.