Abstract
Für Jan Söffner ist das Decameron menschliche Komödie und göttliche Tragödie zugleich. Ob eine unergründliche Vorsehung oder eine launenhafte Fortuna über uns walten, sei bei Boccaccio unentscheidbar geworden und, aus der innerweltlichen Perspektive dieses Werks betrachtet, letztlich auch gleichgültig. Die das Decameron kennzeichnende “Leitambiguität” zeigt sich für Söffner schon im Rahmen: So entspricht die Ordnung der Tage, an denen erzählt wird, nicht mehr – wie bei Basilius und Ambrosius – dem an die göttliche Schöpfung erinnernden Sechstagewerk, da die Prima Giornata auf einen Mittwoch fällt und der Freitag (als Tag der Venus?) gleichermaßen wie der Samstag, jedoch nicht der Sonntag, zu Ruhetagen erklärt werden. In diesem Widerspruch zur christlichen Wochenordnung sieht der Vf. einen Hinweis darauf, dass schon im Erzählrahmen des Decameron das in den Pestszenen angedeutete “Scheitern der Schöpfung” thematisiert werde.