Abstract
Gegenstand dieses Buches ist die "Weisheitslehre" Ptahhoteps aus dem ägyptischen Mittleren Reich (12. Dynastie, 1976-1793 v. Chr.), die als älteste dieser Lehren die Urmutter einer ganzen Familie von ähnlichen Texten ist, welche sich durch alle Zeiten des antiken Ägyptens hinziehen, von den Ägyptern für wert gehalten und von den Ägyptologen als charakteristische literarische Ausprägung der ägyptischen Kultur angesehen worden sind. Die Lehre wird im Anhang in einer vollständigen Neuübersetzung vorgelegt, die den Anspruch erhebt, eine adäquate Übertragung des Textes ins Deutsche zu sein und dennoch gleichzeitig Textnähe zu bewahren. Die Übersetzung ist ausführlich kommentiert. Im Hauptteil des Buches werden die Aussagen der Lehre im Sinne einer frühen Form von Ethik, einer "Lehre vom richtigen Handeln" interpretiert. Die Aussagen werden dazu als innerlich geordnete erfasst, deren Zielkonzeptionen als Vernunft, Selbst-beherrschung, Selbstachtung und Achtung vor dem anderen beschrieben werden können. Indem sich das herausgearbeitete Tugendsystem als ein ontologisch begründetes darstellt, das seine Massstäbe aus der Ordnung des Kosmos bezieht wie dann bei Platon, ist es möglich, die Lehre als Vorform einer Vernunftethik zu klassifizieren, die eine eigene Erkenntnistheorie entwickelt und einen säkularen gesellschaftlichen Handlungsraum schafft. Die Arbeit an der Moralkonzeption geht einher mit der Konstruktion des "inneren Menschen" aus Leib, Geist und Seele. Das Endziel der Lehre als ganzer ist Anleitung zur Selbstmodellierung der ägyptischen Eliten, in Richtung auf "eigene Vollkommenheit" und "fremde Glückseligkeit" (Kant) im Rahmen dessen, was dann einmal Staatskunst heissen wird. Abschliessend werden die Haltung der Lehre und ihre Kernaussagen mit denen antiker Tugendlehren verglichen.