Abstract
Kultbilder von Gottheiten waren im Vorderen Orient einschließlich Palästina verbreitet, doch begegnet ihnen das Alte Testament nur mit Verachtung und Polemik. Die Wirkungsgeschichte dieser Bilderfeindlichkeit und des Bilderverbots läßt die Frage nach den Ursachen, Umständen und Argumentationsstrukturen der biblischen Position entstehen. Die Polemik setzt Bilder und deren Verehrung voraus. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich deshalb im ersten Teil mit den theologischen Konzeptionen, die der mesopotamischen "Idololatrie" zugrunde lagen, im zweiten Teil mit ihrer Rezeption im Alten Testament.
Hinter dem Kult der Götterbilder im Mesopotamien des 1. Jt.s standen komplizierte theologische Vorstellungen, die aus den unterschiedlichsten Texten rekonstruiert werden konnten. Dabei ergab sich, daß die Herstellung der Kultstatuen als übernatürlicher Vorgang verstanden wurde, der durch die Zusammenarbeit von Göttern und Menschen charakterisiert war. Die wunderbare Entstehung der Statue und ihre wesenhafte Verbundenheit mit der in ihr präsenten Gottheit wurde zusätzlich durch das Mundwaschungs- und Mundöffnungsritual (mīs pî und pīt pî) konsolidiert, das die Statue von Verunreinigungen und der menschlichen Seite ihrer Herkunft befreite. Als lebendiger, irdischer und sichtbarer Körper einer unsichtbar, personal und anthropomorph vorgestellten Gottheit besaß dieses Repräsentationsbild alle Lebensfunktionen, um im Kult in das praktische Handlungsfeld religiöser Kommunikation eintreten zu können.
Kult- und Votivbilder aus dem eisenzeitlichen Palästina zeigen, daß man auch in Israel und Juda wirkmächtige "Repräsentationsbilder" kannte. Das Alte Testament, das sich in einer Reihe von polemischen Passagen mit den Statuen und der mit ihnen verbundenen "Theologie der Bilder" auseinandersetzt, setzt häufig bei deren Herstellung an: Im Konsens mit Vertretern der "Theologie der Bilder" knüpften die Bildergegner an der Gültigkeit des Konzeptes an, der Charakter der Herstellung bestimme die Qualität des Hergestellten. Indem sie die Entstehung des Bildes als völlig profanen Vorgang darstellten, verwendeten sie das Konzept jedoch gegen das Bild.
Die dtr Darstellung schreibt die Fertigung der Kälber für Bethel und Dan oder der Aschera für Samaria oder Jerusalem der fehlgeleiteten Eigeninitiative von Königen zu. Fehlende göttliche Autorisierung prägt auch die paradigmatische Erzählung von Ex 32, die in der Grundschicht den Priester Aaron, in der dtr Fortschreibung das Volk für das "Goldene Kalb" verantwortlich macht. Bei altorientalischen Reinheitsvorstellungen setzt die drastische Verkündigung Ezechiels an, der Götterbilder mit Unreinheit verbindet (Ez 22:3f). Ausgehend von der sog. Götzenbilderschicht in Dtjes, die ein redaktionell überlegtes, folgerichtig aufgebautes und handwerklich kompetentes Traktat darstellt, das die altorientalischen Vorstellungen kannte und Punkt für Punkt widerlegt, führen auch Jer 10:1-16*, Ps 115, Ps 135 und Hab 2:18f Handwerker vor, die "idealtypisch" in einem gänzlich profanen Prozeß nur Abbilder irdischer Geschöpfe zustande bringen. Sie zeigen, daß Bildergegner bis weit in die nachexilische Zeit hinein gezwungen waren, die "Theologie der Kultbilder" zu widerlegen und Bilderfreunde von ihrer alternativen "Theologie der Bildlosigkeit" zu überzeugen.