Abstract
Das Zusammentreffen zwischen Diderot und Katharina II. im Winter 1773/1774 in St. Petersburg war ein Ereignis mit Ausstrahlung nach ganz Europa. Bei Diderot selbst führte es zu weitreichender Ernüchterung. Die Vorstellung einer aufgeklärten Monarchie, in früheren Schriften noch bejaht, gerät in den Observations sur le Nakaz und ab 1774 zum Gegenstand grundlegender Kritik. Die Aufteilung von Macht zugunsten eines Machtgleichgewichts erhebt Diderot nach seiner Zeit in Russland zur unabdingbaren Voraussetzung für die Verwirklichung individueller Freiheit und auch zur Bedingung für beglückende Begegnungen. Der Beitrag legt die Merkmale der Machtkritik und mögliche contre-forces, wie sie Diderot in den Observations vorstellt, dar und fragt zudem nach dem Zusammenhang zwischen politischem Sinn und sinnlicher Erfahrung bei dem historischen Diderot einerseits und in Diderots späten philosophischen Schriften andererseits.