Abstract
Seit den 1980er Jahren werden die Arbeits-, Lebens- und Produktionsweisen von Künstlern verstärkt auf das Rollenverhalten von Managern projiziert, die den neuen Geist des Kapitalismus maßgeblich gestalten und prägen. Die Figur des flexiblen Künstlers, der sich in offene Prozesse wagt, ohne deren genauen Verlauf vorhersagen zu können, der risikofreudig, mit hoher Mobilität, intuitiv und unhierarchisch agiert und sich gegen die bürgerliche Moral stellt, fungiert nach einer in den Sozialwissenschaften inzwischen kanonisch gewordenen These von Ève Chiapello und Luc Boltanski als neuer Idealtypus des kapitalistischen Arbeiters in führender Position.1 Gleichzeitig werden Künstler immer vernetzter, immer professioneller in ihrer Kommunikation und Produktion und fügen sich in ein System des mobilen, projektbasierten Arbeitens ein. Künstlerische Strategien wie die von Tamás St.Turba und Tehching Hsieh verweigern sich diesem neuen Künstlertypus und üben radikale Kritik an den neuen kapitalistischen Strukturen. Im Fokus des Artikels steht die Frage: Wie verhalten sich diese Strategien zu Chiapellos/Boltanskis These, dass Künstler «gerade in den Dienst jener Kräfte gestellt [werden], deren Zerstörung sie eigentlich beschleunigen wollten»?2