Abstract
Als "Tempeldirnen" und "Lustknaben" sind sie in Bibelübersetzungen zu finden. Aber gab es sie wirklich, die sogenannten Tempelprostituierten? Für den Alten Orient wird dies schon lange in Zweifel gezogen. Das Alte Testament jedoch soll Kultprostitution bezeugen, und zwar als Tätigkeit der Qedeschen. Die vorliegende Untersuchung widmet sich dieser alttestamentlichen Gruppe in detaillierten Exegesen zu sämtlichen Belegen über das Qedeschen-Wesen. Die exegetische Arbeit ist eingebettet in eine generelle Diskussion des Hypothesenkomplexes zur Kultprostitution, welche u.a. Herodots Babylonischen Logos und ausserbiblische Vergleichsgrössen wie die akkadischen qadištu-Frauen thematisiert.
Die Untersuchung kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Vorstellung von Kultprostitution speist sich aus einem Forschungsmythos. Die alttestamentlichen Qedeschen erscheinen als Kultpersonal aus der Anfangszeit Judas, die mit Opferriten und der Verehrung Ascheras in Verbindung gestanden haben, jedoch nicht als Kultprostituierte bezeichnet werden können. Bei den Stellen zu den männlichen Qedeschen ist gar keine Verknüpfung zu hurerischen Handlungen gegeben. Bei den weiblichen ist zwar eine Anlagerung des Hurerei-Vorwurfs festzustellen, dieser basiert jedoch auf dem metaphorischen Vergleich von unerwünschtem Glauben mit hurerischem Treuebruch gegenüber JHWH. Bei der einzigen quasi synonymen Verwendung von Qedesche und Prostituierte (zônāh) in Gen 38 fehlt ein kultischer Hintergrund. Es ist anzunehmen, dass hier ein Bedeutungswandel sichtbar wird, den die Qedeschen-Begrifflichkeit unter Einfluss der alttestamentlichen Hurerei-Metaphorik durchlaufen hat.