Abstract
Yehezkel Kaufmann (1889-1963) hatte bereits in den dreißiger Jahren vertreten, dass die Priesterschrift in ihrer im Pentateuch vorliegenden Gestalt in vorexilischer Zeit entstanden sei. Der Beitrag, der seitdem zunächst von Kaufmann und dann von ihm beeinflussten Exegeten zum Verständnis der priesterschriftlichen Literatur bis heute geleistet wird, ist außerhalb Israels fast nicht rezipiert worden. Unter methodologischen Gesichtspunkten bedeutet dies eine Lücke in der wissenschaftlichen Pentateuchdiskussion.
Seit nunmehr über drei Jahrzehnten liegen von Kaufmann und von ihm beeinflussten Exegeten einschlägige Untersuchungen in Englisch vor. So lässt sich die ausstehende Diskussion über die Hypothese der vorexilischen Ursprünge der priesterschriftlichen Literatur nur partiell mit der neuhebräischen Sprachbarriere erklären. Im ersten Hauptteil findet eine Auseinandersetzung mit den psychologischen und ideologischen (systematisch-theologischen) Hintergründen der ausstehenden Diskussion statt.
Kaufmanns Interpretation der Priesterschrift ist vor allem im deutschsprachigen Raum unbekannt. Im zweiten Hauptteil wird die außerhalb des neuhebräischen Sprachraumes bisher umfangreichste Darstellung von Kaufmanns Sicht der Priesterschrift vorgelegt. Deren Logik ist jedoch nicht einsehbar, ohne dass weitere Aspekte von Kaufmanns Werk zur Kenntnis genommen werden. Deshalb wird außerdem Kaufmanns Monotheismus-Polytheismus-Begriff kurz referiert.
Von Kaufmann beeinflusste Forscher vertreten die vorexilische Datierung der priesterschriftlichen Literatur. Gleichwohl führen sie gegenüber Kaufmann wichtige Differenzierungen in die Interpretation der priesterschriftlichen Literatur ein. In Hauptteil III werden ihre Position kurz referiert, um die Relevanz der vorexilischen Datierung der priesterschriftlichen Literatur für die gegenwärtige Pentateuchdiskussion sowie für unser Bild von der Geschichte der biblischen Religion zu erhellen.