Abstract
Der arabische Ort Bētī n in den besetzten palästinensischen Gebieten, das frühere Bethel, hat eine lange Geschichte. Sie wird hier mit Hilfe aller zur Verfügung stehenden archäologischen, ikonographischen und literarischen Quellen rekonstruiert. Dabei erweist sich die kultische Deutung chalkolithischer und bronzezeitlicher Anlagen als nicht haltbar. Für die Eisenzeit II stehen uns fast nur literarische Quellen zur Verfügung. Im 10. Jh. hat Jerobeam I. Bethel zum Sitz des königlichen Staatstempels gemacht. Als Kultbilder funktionierten eine Mazzebe und die Stierstatuette, auf die sich die ursprünglich positiv gemeinte Erzählung vom „Goldenen Kalb“ (Ex 32) bezog. Das Stierbild galt nicht als Tragtier des unsichtbaren Gottes, sondern sollte Jahwe vergegenwärtigen, und zwar als den machtvoll helfenden Gott, der Israel einst aus Ägypten geführt hatte und von dem man sich auch in Zukunft Hilfe versprach. Im 8. Jh. haben die Assyrer den Tempel geplündert und das Gottesbild verschleppt. Der Kult kam jedoch nicht zum Erliegen. Erst im 7. Jh. machte ihm Josia, der sein Gebiet nach Norden erweitern konnte, im Rahmen von Zentralisierungsmassnahmen ein Ende. Die unter Berufung auf die Ausgrabungen vertretene These, dass Bethel im 6. Jh. als Kultort fungierte und sogar Entstehungsort biblischer Schriften war, hält einer kritischen Prüfung nicht stand.
Von zentraler Bedeutung war für den Ort in der Königszeit die Betheler Theologie. Ihr Profil wird an Ätiologie, die in der Bibel als Spolien erhalten sind, sowie an der Frontstellung von Amos und Hosea deutlich. Es handelt sich um eine typische Stadt-Theologie , wie wir sie aus Jerusalem und anderen Städten des Alten Orients kennen. In Zentrum stand die tempeltheologisch begründete Vorstellung von einer senkrechten Achse („Himmelsleiter“), die den Ort mit dem Himmel, das irdische mit dem himmlischen Heiligtum verbindet, um Gottes Gegenwart und in ihr begründet das Heil und Wohl von Stadt und Staat auszusagen.
Amos hat im Kontext der Sozialkritik, Hosea in dem der Staatskritik gegen Bethel polemisiert. Mit dem Untergang Bethels wurde die Betheler Theologie obsolet. Der Ort galt nur noch als Hort der Sünde. Die Jahwe-Verehrung überlebte, indem sie Gott vom Kultbild trennte und nur das Bild für illegitim erklärte, ein für die Geschichte des Bilderverbots wichtiger Schritt. Die altehrwürdige positive Bethel-Überlieferung musste zu einer Jakobüberlieferung transformiert oder auf Jerusalem als Ort der Gegenwart Gottes bezogen werden – ein hermeneutisch interessanter Prozess, der im Alten Testament beginnt und sich in der zwischentestamentarischen, altkirchlichen rabbinischen Literatur fortsetzt.