Abstract
Eine verwirrende Vielfalt großer und kleiner, billiger und teurer Bilder aus Ton, Stein oder Metall umgab während der Achämenidenzeit (539-332 v. Chr.) die Bewohner des Alten Vorderasien. Erstmals wird in dieser Arbeit eine Gesamtschau auf das in diese Zeit datierbare figürlich gestaltete oder figürlich bebilderte Material gegeben. Das geographische Gebiet umfasst Phönizien, Syrien und Transjordanien. Das Material besteht aus Plastiken, Flachbildern, Terrakotten, Siegeln, attischer Keramik und Münzen. Diese Bilder wurden nach dem Ursprung des in ihrer Motivwahl oder Gestaltung erkennbaren Fremdeinflusses geordnet.
Für die Terrakotten zeichnen sich zwei Großräume ab, deren Grenze etwa zwischen Tell Sukas und Amrit liegt. Nördlich und östlich dieser Linie beschränken sich die Terrakotten auf wenige Typen. Südlich davon ist die thematische und stilistische Vielfalt wesentlich grösser. Die Glyptik lässt sich in sehr unterschiedliche Gruppen aufteilen, die aus phönizischen, ägyptisierenden, achämenidischen, gräko-persischen und griechischen Skarabäen, Skaraboiden und weiteren Stempelsiegeln bestehen. Die griechische Keramik stammt fast ausschließlich aus Attika. Sie wurde in allen größeren Siedlungen, wenn auch in sehr unterschiedlicher Quantität, gefunden und von Levantinern benutzt. Die Plastik besteht hauptsächlich aus den sidonischen Steinplastiken. Von 430 v. Chr. an verdichtete sich am sidonischen Hof die Suche nach einem neuen Stil, der sich an das Griechische anlehnte und dabei einen außergewöhnlichen „pseudo-griechischen“ Charakter erlangte.
Ein Hauptproblem der Interpretation all dieser Bilder besteht in der Identifikation der dargestellten Personen bzw. Gottheiten. Die wenigen Beispiele für Koordination von Bild und Text beweisen, dass die Erscheinungsbilder der Götter verschmolzen und individuierende Attribute weitgehend verwanden. Was ging auf theologischer Ebene vor sich? Man ahnt die Entwicklung von einem System, in dem für jeden Lebensaspekt ein Gott zuständig war, zu einem neuen, wo die lineare Zuordnung eines Gottes zu einem bestimmten „Bestätigungsfeld“ als unzureichend empfunden wurde (Phänomen der Theokrasie). Dabei ist feststellbar, dass die Bilder zum Großteil in die Kategorie Fürsorge, schützende Macht, Heilung und Heil einzuordnen sind. Göttlicher Schutz nahm nun die Bedeutung umfassender göttlicher Allgegenwart im Sinne individueller Nähe an und trat als solche an die Stelle der hierarchischen Götterwelt. Der Boden für die Heilsreligionen wurde somit nicht nur in Palästina oder in Ägypten, sondern genauso an der libanesischen und syrischen Küste durch eine tiefgreifende Veränderung der Göttervorstellung vorbereitet.