Abstract
Unter dem Titel "Volkskunde und Rundfunk" fand unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde (dgv) und in Zusammenarbeit mit dem Radio eine Reihe von Arbeitstagungen statt. Die Tagungen sind als rundfunkgeschichtliches sowie als wissensanthropologisches Untersuchungsthema im Zusammenhang mit der Erforschung von Identitätspolitiken von Interesse, denn an ihnen lässt sich empirisch zeigen, wie, erstens, Radiomacherinnen und Radiomacher ihren Programmauftrag im Austausch mit anderen gesellschaftlichen Akteuren definiert und gestaltet haben und, zweitens, wie Wissen über Kultur durch Volkskunde und Radio mitkonstruiert, akustisch übersetzt und medial verbreitet wurde. Der Beitrag untersucht auf der Grundlage von Tagungsberichten und weiteren Archivalien, wie Radio und Volkskunde mit dem Ziel zusammengearbeitet haben, Volksmusik vor dem Verklingen zu bewahren und lebendig zu halten und welche gesellschaftliche Verantwortung sie dabei für die Volksmusikpflege und -überlieferung wahrnehmen wollten: „Sammeln und Wiederbeleben“, wie an der Berner Arbeitstagung (1963) zusammengefasst. Der Artikel untersucht zunächst die Arbeitstagungen Volkskunde und Rundfunk und ihren Schwerpunkt ,Volkstumspflege‘. Dabei wird die Frage nach der Authentizität als einem wiederkehrenden Diskussionspunkt dieser Tagungen exemplarisch untersucht. Die Authentizitätsproblematik hat, zweitens, ihre historische Dimension, die bereits im Sammeleifer der frühen Volkskunde angelegt war. Die ,Echtheit‘ der Volksmusik wurde als wichtige Voraussetzung für die Revitalisierung gesehen, stand jedoch teils in einem Widerspruch zum Unterhaltungsauftrag des Radios, der bestimmte Ansprüche an die Sendefähigkeit des Materials stellte. Schließlich wird vor dem Hintergrund des technischen Wandels der Aufnahmetechnik (Tonband) diskutiert, warum der Bedarf an weiteren Tagungen zurückging und sich in andere Netzwerke und Diskussionsforen verlagerte.