Abstract
Über Art und Häufigkeit psychoorganischer Syndrome bei Inhaftierten ist wenig bekannt. Wir berichten über einen 20-jährigen, HIV-I-positiven Asylbewerber aus Schwarzafrika mit bisher unauffälliger psychiatrischer Anamnese, der in Ausschaffungshaft ein zunehmend bizarres Verhalten entwickelte. Die paranoid-halluzinatorische Verwirrtheit mit tageszeitabhängiger Ausprägung und Desorientierung führte zur Diagnose Delir. Als Ursache hierfür fand sich eine AIDS-definierende tuberkulöse Meningoenzephalitis, die spezifisch und symptomatisch behandelt wurde. Dieser Fall illustriert die Schwierigkeiten der Diagnostik und die Bedeutung der Verhaltensbeobachtung bei eingeschränkten sprachlichen Verständigungsmöglichkeiten. Bei Häftlingen mit Verhaltensauffälligkeiten sollten stets auch somatische Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden. Pathogenese und Diagnostik der tuberkulösen Meningoenzephalitis werden diskutiert