Abstract
Kompetitivität im Breitensport lässt sich nicht auf spezifische kompetitive Formate wie etwa Rennen oder ähnliche Veranstaltungen reduzieren. Auch weitergreifende, zum Teil nur diffus kompetitiv erscheinende Orientierungen – damit auch subjektive, relationale und situative Aspekte – müssen aus empirisch-kulturwissenschaftlicher Sicht in den Blick genommen werden, um BreitensportlerInnen und ihre je subjektivierten Verhältnisse zur Kompetitivität zu untersuchen. Der vorliegende Beitrag nimmt von einer solchen Konzeption von Kompetitivität ausgehend segmentierte kompetitive Orientierungen im Bereich des freizeitsportlichen Rennradfahrens in den Blick. In diesem Bereich können Wettbewerbe als sozialkomparative Praktiken von Sportlern verstanden werden, die sich nicht an einer absoluten Spitze, sondern vor allem an relativen Kriterien orientieren können. Der Fokus liegt dabei nicht auf SportlerInnen, die Rennen aufgrund ihrer Leistungsfähigkeiten tatsächlich gewinnen können, sondern auf Breiten- und Freizeit-sportlerInnen, für die Platzierungen im Mittel- oder Schlussfeld realistisch sind und die sich in vielen Fällen positiv auf ein mittleres Maß beziehen. Damit trägt der Beitrag Prozessen der Pluralisierung, Personalisierung, Relationierung und situativen Bestimmung von Kompetitivität Rechnung.
Der Beitrag beleuchtet dafür zunächst einige Aspekte, die mit dieser Orientierung am Mittelmaß einhergehen und diskutiert die Frage, inwieweit hier auch von einem Wettbewerb ums Mittelmaß gesprochen werden kann. Dabei werden in einem ersten Schritt sportspezifische Gradualisierungen von Sieg / Niederlage-Codierungen diskutiert und um eine empirisch-kulturwissenschaftliche Perspektive erweitert, die soziokulturelle Interpretationen und Handlungsmuster berücksichtigt. In einem nächsten Schritt werden Motivpluralisierungen im breitensportlichen Rennradsport zum Thema gemacht, die nicht auf kompetitive Motive beschränkt sind und beispielsweise gesundheitliche oder soziale Funktionen beinhalten. Vor diesem Hintergrund wird der Zusammenhang zwischen expliziten Wettbewerbsformaten und anderen Formen des Sporttreibens sowie der Einfluss von situativen Faktoren und ephemeren Stimuli auf kompetitive Orientierungen in den Blick genommen. Abschließend wird die Konstruktion von Vergleichsdimensionen im Breitensport näher beleuchtet, bei der SportlerInnen sich mit bekannten oder unbekannten Akteuren in Beziehung setzen oder sich in unterschiedlichen Kategorien wie Alters- oder Leistungsklassen verorten. Im Zentrum steht dabei die Frage, inwieweit und wie BreitensportlerInnen nicht nur um die Spitze, sondern auch um ein Mittelmaß konkurrieren.