Abstract
Der aufrechte Gang stellt die menschlichste Form aller Bewegung dar und gilt gemeinhin als Abgrenzungsmerkmal zum Tier. Lebensweltliche und anthropologische Motive des Gehens reichen von der zielgerichteten Überbrückung räumlicher Distanz, über absichtsloses Spazieren oder Flanieren bis hin zu problembehafteten Formen wie Stolpern oder Straucheln. Mit der Entdeckung einer inneren Seelenlandschaft des Menschen im 18. Jahrhundert wirddas körperliche Gehen – sowohl metaphorisch wie auch substantiell – darüber hinaus mit den Problemen von Anschauung und Denken in Verbindung gebracht. Wesentlich an jeder „Theorie des Gehens“ erscheint dabei die Verflechtung mit kulturellen Praktiken, sei es Religion, Wissenschaft oder Sprache. In jeder kulturgeschichtlichen Epoche finden sich andere Formen der Auseinandersetzung mit dem Gehen. Dabei wird es oftmals im Zusammenhang mit Fragen von Freiheit, Selbstverortung und Welterschließung thematisiert. Dies spiegelt sich u.a. auch in Kants berühmter Rede vom „sicheren Gang der Wissenschaften“, an der noch heute Grenzen und Möglichkeiten von Wissen und Erkenntnis gemessen werden. Die interdisziplinär ausgerichtete Konferenz setzt sich zum Ziel, die Anatomie des Gehens im Verhältnis zu seiner kulturellen, künstlerischen oder metaphorischen Ausgestaltung zu befragen und dabei – ausgehend von Fallbeispielen – Möglichkeiten einer kulturwissenschaftlichen „Theorie des Gehens“ zu ergründen.