Abstract
Während Stifters rechts- und staatstheoretische Schriften das Verhältnis von Rechts- und Sittengesetz kritisch ausloten, ist der Nachsommer die Erzählung einer Erziehung zur Sittlichkeit, die keiner äußeren Gesetze mehr bedarf. Diese Entkoppelung des Sittlichen von den juridischen Gesetzen lässt sich näher als eine ‚Mikroethik‘ bestimmen, die sich an der Erfahrung orientiert: an Reihen einzelner, kleiner Erfahrungen und an Techniken, die diese Erfahrungen ordnen und bearbeiten. Nach Bemerkungen zu Stifters politischer Publizistik wird am Beispiel der Vogelhaltung im Nachsommer die Darstellung moralischer Interaktionen zwischen Menschen und Tieren analysiert. Das unerreichte Ziel dieser Interaktionen ist eine Harmonie zwischen dem Haushalt der Natur und der menschlichen sittlichen Ordnung. Daran anschließend gilt das Interesse der Struktur der Gastfreundschaft, die Stifters Erzählung umgreift. Die Bereiche der Gastfreundschaft und der Ökonomik, der Liebe und der Ökonomie werden im Nachsommer dergestalt miteinander kompatibel gemacht, dass sie sich nicht etwa auslöschen, sondern gegenseitig befördern sollen.