Abstract
Nie gab es so viele Möglichkeiten auf Musik zuzugreifen wie heute. Streaming- und Downloadplattformen im Internet halten ein schier unerschöpfliches ‚Anarchiv‘ an Musik aus allen Zeiten bereit, gleichzeitig erleben analoge Medien wie Schallplatten und Kassetten ein Revival, die in vielen Szenen nie verschwunden waren. Was bedeutet Sammeln in Anbetracht dieser medialen Vielfalt und ständigen Verfügbarkeit von Musik? Die Studie geht aus einer ethnografischen Perspektive der Frage nach, wie sich Musiksammeln als Alltagspraxis im Einzelnen gestaltet, an welchen Orten es stattfindet, welche Dinge, Diskurse und Praktiken damit in Verbindung stehen und wie Menschen ihrem Handeln Bedeutung verleihen. Die Arbeit zeigt anschaulich, wie Musiksammeln, teils situativ, teils im biographischen Ausmaß, zum Selbstverständnis und zur Selbstwahrnehmung vieler Menschen beiträgt und wie sehr es ihren ästhetischen Zugriff auf die Welt prägt. Es wird deutlich, dass sich Sammeln mehr denn je als eine Alltagskompetenz begreifen lässt, durch die Menschen individuelle Ordnungen und sinnstiftende Wegmarken in physischen und in komplexen digitalen Umgebungen herstellen. Der Text ist in Form von Tracks geschrieben, die sich als ethnografische Kurzgeschichten verstehen lassen. Wie die Songs einer Playlist funktionieren sie für sich alleine und stellen je einen Hauptprotagonisten in den Fokus – eine Person, ein Artefakt, eine Praxis, einen Ort, einen Diskurs. Gerahmt sind die Tracks von einem einleitenden Intro und einem abschließenden Hidden Track, der zentrale Ergebnisse zusammengeführt und theoretisch verortet. Diese Form repräsentiert das methodische Vorgehen der Arbeit. Die Tracks sind also mehr als eine stilistische Metapher.