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Der Zollvertrag und die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus: Wie Schweizer Recht via Zollanschlussvertrag und Epidemiengesetz in Liechtenstein Anwendung findet


Schiess, Patricia (2020). Der Zollvertrag und die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus: Wie Schweizer Recht via Zollanschlussvertrag und Epidemiengesetz in Liechtenstein Anwendung findet. Jusletter, (04.05.2020):online.

Abstract

Liechtenstein ist durch den Zollanschlussvertrag von 1923 (ZV) eng an die Schweiz gebunden. Gestützt auf ihn gelangen in Liechtenstein neben der Zollgesetzgebung viele weitere Schweizer Erlasse wie das Epidemiengesetz (EpG) und Erlasse zur wirtschaftlichen Landesversorgung zur Anwendung. Bei ihrer Anwendung kommt Liechtenstein gemäss Art. 6 ZV dieselbe Rechtsstellung wie den Kantonen zu. Wegen Liechtensteins Souveränität fragt es sich nun aber, was dies für die vom schweizerischen Bundesrat auf Art. 6 und 7 EpG gestützten Massnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus bedeutet. Wie gezeigt wird, entfaltet die in Art. 6 EpG für die besondere Lage und die in Art. 7 EpG für die ausserordentliche Lage vorgesehene Kompetenzverschiebung von den Kantonen zum Bund keine Wirkung gegenüber Liechtenstein.
Trotzdem muss Liechtenstein alle Schweizer Massnahmen gegen das Coronavirus im Bereich der Zollvertragsmaterien befolgen, also vor allem die Vorgaben zum Personen- und Warenverkehr und zur Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern. Einen grösseren Spielraum hat Liech-tenstein bei den übrigen Massnahmen, vor allem bei denen gegenüber der Bevölkerung (wie Um-stellung auf Fernunterricht, Durchsetzung von Versammlungsverboten).
Wie ein Vergleich (mit Stand der Rechtsetzung vom 18. April 2020) der liechtensteinischen CO-VID-19-Verordnung vom 13. März 2020 mit der COVID-19-Verordnung 2 der Schweiz vom 13. März 2020 zeigt, weichen Liechtensteins Regeln vor allem im Bereich der Bildungs- und Kinder-betreuungseinrichtungen von den Schweizer Regeln ab. Überdies werden ab dem 27. April 2020 in Liechtenstein mehr Einkaufsläden und Märkte für das Publikum geöffnet als in der Schweiz. Solange dabei ein gleichwertiger Schutz der Gesundheit gewährleistet ist, ist dies zulässig.
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die COVID-19-Verordnung vom 13. März 2020 und ihre Änderungen in Liechtenstein vor dem Staatsgerichtshof angefochten werden können, wäh-rend die bundesrätliche Verordnung und ihre Revisionen in der Schweiz nicht anfechtbar sind.
Diese Untersuchung zeigt auf, dass es an einer Norm fehlt, die das gleichzeitige Inkrafttreten von dringlich erlassenen Bestimmungen vorsieht, die in der Schweiz und in Liechtenstein wegen der Verpflichtungen aus dem Zollanschlussvertrag gleichzeitig in Kraft treten sollen.

Abstract

Liechtenstein ist durch den Zollanschlussvertrag von 1923 (ZV) eng an die Schweiz gebunden. Gestützt auf ihn gelangen in Liechtenstein neben der Zollgesetzgebung viele weitere Schweizer Erlasse wie das Epidemiengesetz (EpG) und Erlasse zur wirtschaftlichen Landesversorgung zur Anwendung. Bei ihrer Anwendung kommt Liechtenstein gemäss Art. 6 ZV dieselbe Rechtsstellung wie den Kantonen zu. Wegen Liechtensteins Souveränität fragt es sich nun aber, was dies für die vom schweizerischen Bundesrat auf Art. 6 und 7 EpG gestützten Massnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus bedeutet. Wie gezeigt wird, entfaltet die in Art. 6 EpG für die besondere Lage und die in Art. 7 EpG für die ausserordentliche Lage vorgesehene Kompetenzverschiebung von den Kantonen zum Bund keine Wirkung gegenüber Liechtenstein.
Trotzdem muss Liechtenstein alle Schweizer Massnahmen gegen das Coronavirus im Bereich der Zollvertragsmaterien befolgen, also vor allem die Vorgaben zum Personen- und Warenverkehr und zur Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern. Einen grösseren Spielraum hat Liech-tenstein bei den übrigen Massnahmen, vor allem bei denen gegenüber der Bevölkerung (wie Um-stellung auf Fernunterricht, Durchsetzung von Versammlungsverboten).
Wie ein Vergleich (mit Stand der Rechtsetzung vom 18. April 2020) der liechtensteinischen CO-VID-19-Verordnung vom 13. März 2020 mit der COVID-19-Verordnung 2 der Schweiz vom 13. März 2020 zeigt, weichen Liechtensteins Regeln vor allem im Bereich der Bildungs- und Kinder-betreuungseinrichtungen von den Schweizer Regeln ab. Überdies werden ab dem 27. April 2020 in Liechtenstein mehr Einkaufsläden und Märkte für das Publikum geöffnet als in der Schweiz. Solange dabei ein gleichwertiger Schutz der Gesundheit gewährleistet ist, ist dies zulässig.
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die COVID-19-Verordnung vom 13. März 2020 und ihre Änderungen in Liechtenstein vor dem Staatsgerichtshof angefochten werden können, wäh-rend die bundesrätliche Verordnung und ihre Revisionen in der Schweiz nicht anfechtbar sind.
Diese Untersuchung zeigt auf, dass es an einer Norm fehlt, die das gleichzeitige Inkrafttreten von dringlich erlassenen Bestimmungen vorsieht, die in der Schweiz und in Liechtenstein wegen der Verpflichtungen aus dem Zollanschlussvertrag gleichzeitig in Kraft treten sollen.

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Additional indexing

Item Type:Journal Article, refereed, original work
Communities & Collections:02 Faculty of Law > Institute of Legal Sciences > Constitutional, Administrative and International Law
Dewey Decimal Classification:340 Law
Language:German
Date:4 May 2020
Deposited On:22 May 2020 05:47
Last Modified:15 Apr 2021 15:14
Publisher:Editions Weblaw
ISSN:1424-7410
Additional Information:Der Beitrag erschien mit gleichem Wortlaut als Arbeitspapier Liechtenstein-Institut Nr. 65 (online herausgegeben durch das Liechtenstein-Institut in Bendern FL)
OA Status:Closed
Official URL:https://jusletter.weblaw.ch/juslissues/2020/1022/der-zollvertrag-und-_a06e4e2ff3.html
Related URLs:https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/187442/ (Organisation)