Abstract
Robert Walser bezeichnet seinen kurzen Text Wilhelm Tell (1927) als Essay und wird damit eine ganze Tradition von Tell-Dichtungen im 20. und 21. Jahrhundert prägen. Was hat es mit dieser Affinität von Essayismus und Tell-Diskurs auf sich und was sagt dies über die ‚eigene Sache‘ der Literatur aus der Schweiz? Mindestens wenn es um den Tell-Diskurs geht, scheint diese ‚eigene Sache‘ potenziell auf eine mehrfache Situierung hinzuweisen, auf literarische wie politische ‚Heimat‘ zu reflektieren – selbst dann, wenn sie diese kritisch von der Hand weist oder hybridisierend umdeutet. Unter dem Stichwort ‚Schreiben am Mythos‘ stehen daher nicht nur die Imaginationen von Wilhelm Tell und der Schweiz zur Debatte, sondern auch die Art und Weise, in der Literatur sich überhaupt zur (nationalen) ‚Beheimatung‘ als einer ‚eigenen Sache‘ verhält. Der Text schlägt Essayismus als er- und um-schreibenden Gestus vor und damit als privilegierte Schreibweise für dieses selbstreflexive – und zunehmend: transnationale – Unterfangen. Dessen Ausprägungen werden anhand von vier Autoren und Autorinnen aus der Schweiz diskutiert – Robert Walser, Max Frisch, Gertrud Leutenegger und Annette Hug.