Abstract
Der Beitrag widmet sich dem Begriff und Phänomen "Echtzeit" aus historischem Blickwinkel. Er verweist darauf, dass der Terminus erst in den frühen achtziger Jahren – erstmals in Besprechungen des Films ECHTZEIT (D 1983) – im Feuilleton und in der Filmkritik auftauchte und dann später um die Jahrtausendwende seinen Modernität signalisierenden Boom erlebte und in der Folge etablierte Begriffe wie ‚live’ ersetzte. Die mit dem Begriff "Echtzeit" verbundene Betonung von visueller Kontinuität und Simultaneität, die im Diskurs zum Medienwandel der letzten Jahre teils mythische Züge annahm, begleitete schon den einstigen Medienwandel zum Tonfilm. So stellten zu Beginn der 1930er Jahre Tonfilmoperetten – beispielsweise DER KONGRESS TANZT (D 1931) – mit ungewöhnlich langen Einstellungen die Attraktion des eigenen medialen Potenzials demonstrativ zur Schau, um sich von der Montageästhetik des Stummfilms abzusetzen. Die Digitaltechnik ermögliche nun (im Unterschied zu den langen Einstellungen der Vorläufer) ganze Spielfilme in ECHTZEIT, beispielsweise VICTORIA (D 2015), und kreiere gleichzeitig einen Mediendiskurs, in dem das Spektakuläre dieser Errungenschaft gefeiert werde. Schweinitz markiert mit der „Ästhetik des Staunens“ ein filmhistorisch wichtiges Phänomen und Diskursmotiv im medialen Wandel und deutet die Funktion der langen Einstellung als Stimulierung des Staunens über die Produktions- und Inszenierungsleistung.