Abstract
Die Notwendigkeit guter Arzt-Patienten-Kommunikation für eine angemessene Behandlung und für die Ausübung der Patientenselbstbestimmung ist bekannt. In interkulturell-mehrsprachigen Situationen, in denen ein kommunikationsintensiver Aushandlungsprozess besonders notwendig ist, erhält die Qualität der Verständigung besondere Bedeutung, so dass der Einsatz qualifizierter Dolmetschender hier ethisch geboten ist. Er stellt Ärzte und Ärztinnen, aber auch die Dolmetschenden vor besondere, ethisch zu reflektierende Herausforderungen. Sind zudem keine qualifizierten Dolmetschenden einsetzbar, müssen Ärzte und Ärztinnen in schwierigen ethischen Abwägungsprozessen eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen. Diese beiden Themen finden in der medizinethischen Literatur bisher wenig Beachtung. Anhand von Erkenntnissen aus der Forschung u. a. zum Gesprächsdolmetschen werden im Folgenden zentrale ethische Herausforderungen eines Dolmetschereinsatzes herausgearbeitet. Diskutiert werden der Bedarf sprachlicher Unterstützung, der drohende Ausschluss von Patientinnen und Patienten in gedolmetschten Gesprächen, die Beachtung der für das Dolmetschen geltenden berufsethischen Prinzipien, die Gewährleistung der Vertraulichkeit sowie die Konsequenzen interkulturellen Vermittelns. Des Weiteren wird für Ärzte und Ärztinnen, die unter nicht-idealen Bedingungen ohne qualifizierte Dolmetschende agieren müssen, erstmals ein strukturierter argumentativer Rahmen vorgestellt. Es werden neun Bewertungskriterien vorgeschlagen, anhand derer in einem Abwägungsprozess über die Eignung einer Person zum (spontanen) Dolmetschen entschieden werden kann.