Abstract
Seit Beginn der Pandemie wurde die Corona-Berichterstattung als zu alarmistisch (oder auch zu wenig warnend), zu unkritisch gegenüber Regierungshandeln, zu kontextlos im Umgang mit Zahlen und mit Blick auf die Expert:innenauswahl als zu einseitig kritisiert. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es zu überprüfen, inwiefern die geäusserte Kritik an der Corona-Berichterstattung während der ersten Welle (1.1.2020 bis 30.4.2020) Anlass gegeben haben könnte, um während der berichterstattungsärmeren Phasen über die Berichterstattungsqualität zu reflektieren und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Die Studie analysiert daher die Schweizer Medienberichterstattung zur zweiten Welle (1.9.2020 bis 28.2.2021) und vergleicht diese mit Erkenntnissen zur Corona Berichterstattung der ersten Pandemiewelle. Sie knüpft an die im Jahrbuch Qualität der Medien 2020 veröffentlichte Studie zur Corona-Berichterstattung (Eisenegger et al., 2020) an. Der Vergleich ergibt ein ambivalentes Bild: Einerseits stellen Journalist:innen in der zweiten Welle das Coronavirus seltener (6%) als eine klare Bedrohung dar als in der ersten Welle (16%) – trotz erheblich höherer
Fallzahlen. Zudem beurteilen sie Regierungshandeln in der zweiten Welle weniger affirmativ (0,3%) als während der ersten Welle (6%), zeigen also eine Berichterstattung, die durch Behördendistanz geprägt ist. Zahlen und Statistiken werden häufiger kontextualisiert und eingeordnet (erste Welle: 12%; zweite Welle 21%). Andererseits lassen sich bei der Expert:innenauswahl kaum positive Veränderungen beobachten: Weiterhin ist die Vielfalt eingeschränkt. Die in den Medien thematisierten Wissenschaftler:innen stammen grösstenteils aus dem medizinischen Bereich. Ihr Anteil fällt in der zweiten Welle sogar noch etwas höher aus (83%) als in der ersten Welle (78%). Sozial- und geisteswissenschaftliche Disziplinen bleiben somit weitgehend auch in der Berichterstattung zur zweiten Welle aussen vor. Auch Wissenschaftlerinnen sind im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen deutlich untervertreten. Im Vergleich zur ersten Welle (12%) kommen sie aber in der zweiten Welle etwas häufiger vor (21%).