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Vertrauen als Idee der italienischen Aufklärung: Genovesis «fede pubblica» und Beccarias «politica morale»

Rother, Wolfgang (2021). Vertrauen als Idee der italienischen Aufklärung: Genovesis «fede pubblica» und Beccarias «politica morale». In: Eichhorn, Kristin; van Laak, Lothar. Kulturen der Moral. Hamburg: Meiner, 145-154.

Abstract

Dass Vertrauen im moralischen Denken einer Aufklärung, die – wenn man Horkheimer und Adorno Glauben schenken will – im Zuge der Entzauberung der Welt alle menschlichen Verhältnisse und damit auch alle Moral nüchterner Rationalität und klarer Berechenbarkeit unterwirft, eine zentrale Rolle spielen soll, mag auf den ersten Blick überraschen. Noch überraschender ist, dass Beccaria, der zweifellos bedeutendste Vertreter der Mailänder Aufklärung, in seiner für das aufgeklärte Rechtsdenken epochalen Schrift «Dei delitti e delle pene» (1764), in der er die philosophischen Grundlagen des modernen Strafrechts entwickelt und mit kontraktualistischen und utilitaristischen Konzepten für die Abschaffung von Folter und der Todesstrafe argumentiert, «wechselseitiges Vertrauen» als Fundament einer «wahren», das heisst «moralischen» Politik bezeichnet und das «öffentliche Vertrauen» (pubblica confidenza) als Grundlage menschlicher Moral überhaupt anführt. Und ebenso wenig hätte man erwartet, dass Genovesi, der nicht nur zu den zentralen Figuren der neapolitanischen Aufklärung, sondern auch zu den Klassikern der modernen politischen Ökonomie gehört, dem Vertrauen eine wichtige Funktion in sozialen und wirtschaftlichen Prozessen zuschreibt. In seinen kurz nach Beccarias Schrift erschienenen «Lezioni di commercio o sia d’economia civile» (1765-1767) legt er im Kapitel «Della fede pubblica» eine differenzierte Analyse von ethischem, politischem und ökonomischen Vertrauen vor und zeigt die Bedeutung des Vertrauens für das Verhältnis der Bürger untereinander und zum Staat auf.
Im vorliegenden Beitrag gehe ich diesen von der Aufklärungsforschung kaum beachteten Argumentationslinien nach, um die aus meiner Sicht grundlegende Bedeutung des Vertrauens für das moral- und rechtsphilosophische sowie das politische und ökonomische Denken Beccarias und Genovesis herauszuarbeiten. Vielleicht, so meine Arbeitshypothese, ist das Vertrauen sogar jener weitgehend verkannte Gedanke der Aufklärung, der die totalitäre Rationalität des modernen Sicherheits- und Kontrolldenkens konterkariert.

Additional indexing

Item Type:Book Section, refereed, original work
Communities & Collections:06 Faculty of Arts > Institute of Philosophy
Dewey Decimal Classification:100 Philosophy
Language:German
Date:4 November 2021
Deposited On:23 Dec 2021 04:45
Last Modified:27 Nov 2024 10:54
Publisher:Meiner
ISBN:9783787340637
Additional Information:Studien zum achtzehnten Jahrhundert
OA Status:Closed
Related URLs:https://meiner.de/kulturen-der-moral.html

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