Abstract
Der Artikel beschreibt eine paradoxe Situation: Um die gestiegenen Erwartungen eines des Reisens geübten Publikums zu erfüllen, sollen sich anthropologische Museen beim Präsentieren fremder Kulturen modernisieren. Andererseits besitzen die Sammlungen zwar eine enorme Menge an Alltagsobjekten, allerdings fehlt oft das Wissen über die sozio-technologischen Systeme innerhalb derer diese Artefakte ihren Platz hatten und es fehlen häufig die Ressourcen, die Sammlungen wissenschaftlich zu bearbeiten.
Anhand der Kultur des Füßebindens chinesischer Frauen, eine 1.000 Jahre alte Praxis, die Mitte des 20. Jahrhunderts endete, zeigt der Beitrag die neueren Forschungsansätze der Technikanthropologie auf, die mit ihrem interdisziplinären Ansatz Alltagstechnologien, Artefakte und Körpertechniken als Elemente eines soziotechnologischen Systems einer bestimmten Gesellschaft und bestimmten Zeit begreift und somit auch das Interessengebiet von Kuratoren trifft. Mareile Flitsch plädiert deshalb angesichts der Neuorientierung und Modernisierung der Berliner anthropologischen Sammlungen – neben Ausstellungsprojekten und der Digitalisierung der Sammlungen – für eine enge Zusammenarbeit der modernen Museumsanthropologie und der Technikanthropologie.