Abstract
Im evangelischen Verständnis war und ist die Ehe im Unterschied zum Katholizismus kein unauflösliches Sakrament, sondern eine zivilrechtliche, durch Scheidung aufhebbare Vereinigung von Mann und Frau. Die Möglichkeit einer Eheschliessung ohne Mitwirkung eines Priesters, wie sie vorreformatorisch bis zum Konzil von Trient prinzipiell möglich war, lehnten die Reformatoren aus theologischen Gründen ab. Im Unterschied zum Katholizismus betrachteten sie Sexualität nicht als notwendiges Übel, sondern als eine gottgewollte Gabe. Aus diesen konfessionellen Differenzen heraus begründete Zürich ein neues Eherecht und Ehegericht. Trotz der Neuerungen sind in der Gerichtspraxis bis ins das 18. Jahrhundert hinein deutliche Kontinuitäten zu den vorreformatorischen Verhältnissen zu erkennen. Voreheliche Sexualität wurde sozial immer wieder geduldet, solange sie zur Eheschliessung führte. Ehe blieb tendenziell eine lebenslängliche Verbindung, bei der Konflikte durch Reue und Vergebung aufgehoben werden sollten. Geschlechtsverkehr war alleininnerhalb der Ehe legitim, sodass bei sexuellen Übergriffen in den mit Gewalt hergestellten Paarkonstellationen beide Seiten eine Sünde begingen, wobei die Täter – sofern sie vor Gericht gelangten – hart bestraft wurden.