Abstract
Gotteslästerung – fluchen, schwören und Gott leugnen – stellte im Mittelalter wie auch im Reformationszeitalter ein Majestätsverbrechen dar. Seit dem Hochmittelalter hatte der Stadtstaat Zürich den Zungensünden seiner Untertanen den Kampf angesagt. Diesen führte das reformierte Zürich nahtlos weiter. Die ‹unchristlichen Worte› reichten von alltäglichen Unmutsäusserungen zu gezieltem verbalem Imponiergehabe, zum Einsatz von Flüchen und Schwüren als scharfe verbale Waffen in profanen Ehrkonflikten, zu theologischen Streitgesprächen unter Laien bis hin zum vormodernen Atheismus. In der Verfolgung von Gotteslästerung war die Justiz auf Anzeigen aus der Bevölkerung, von Amt- und Wirtsleuten angewiesen, die jedoch formelhafte blasphemische Redewendungen offenbar eher duldeten als meldeten. Die meisten Strafurteile bestanden in fein differenzierten Geld und Ehrenstrafen. Todesstrafen blieben eine Ausnahme. Ziel der Strafpolitik war die Wiedereingliederung der Verurteilten in die Gemeinde durch öffentliche Versöhnung mit Gott. Im 19. Jahrhundert spielte Gotteslästerung vor Gericht keine Rolle mehr. Sie hatte im Alltag der Zürcher Bevölkerung an Provokationswert verloren.