Abstract
Der Abri Unterkobel befindet sich im Alpenrheintal. Er wurde bei Baggerarbeiten in einem ehemaligen Steinbruch, der heute als Deponie für Bauschutt dient, angeschnitten. Die Fundstelle wurde in einer Rettungsgrabung 2011-2012 teilweise ausgegraben. Es folgte ein interdisziplinäres Auswertungsprojekt zur Fundstelle das 2021 abgeschlossen wurde. Einbezogen waren Fachleute der Archäobotanik (Samen und Pflanzen, Holzkohlen), Archäologie (Stein-, Keramik- und Metallfunde), Archäozoologie (Grosstiere, Kleintiere, Mollusken), Geoarchäologie, Geologie, Gebrauchsspurenanalyse und 14C-Datierung. Dank der intensiven Zusammenarbeit von 18 Forschenden aus all diesen Disziplinen war es möglich, die Nutzung des Abris durch den Menschen und die Veränderungen der Umwelt durch die Jahrtausende zu rekonstruieren.
Im Mesolithikum und Mittelneolithikum wurde der Abri vor allem als Jagdhalt genutzt. Gejagt wurden Hirsche, Wildschweine und verschiedene Pelztiere. Steinwerkzeuge wurden mitgebracht oder vor Ort hergestellt und nachgeschärft. Die Gebrauchsspuren weisen darauf hin, dass sie vor allem für die Bearbeitung von Holz und Pflanzenfasern verwendet wurden. Eine deutliche Nutzungsänderung fand im Jungneolithikum statt. Grosse Pakete von verbranntem und unverbranntem Tierdung zeigen, dass der Abri vor allem als saisonaler Viehunterstand genutzt wurde. Dieses Phänomen ist im Neolithikum des Mittelmeerraums gut bekannt, es konnte hier erstmals für das Gebiet nördlich der Alpen nachgewiesen werden. Auch die bronzezeitlichen Schichten zeigen Spuren intensiver Viehhaltung. Allerdings sind hier viel mehr Keramikfunde und Schlachtabfälle vorhanden, weshalb von einer zunehmenden häuslichen Nutzung des Abris ausgegangen werden kann. Gegen das Ende der Bronzezeit wurde im Abri wahrscheinlich ein Einbau errichtet. Weiter zunehmende Fundmengen weisen auf eine permanentere Besiedlung hin. In der Eisenzeit und der römischen Epoche wurde der Abri nur noch sehr sporadisch begangen.