Abstract
Für die einen gilt Migration als »Mutter aller Probleme«, für die anderen als »Mutter aller Gesellschaften«. Unabhängig von der politischen Haltung zu Einwanderungsfragen ist das Thema Migration in den letzten Jahrzehnten zum »Normalfall« gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und medialer Aufmerksamkeitsökonomien auf-gestiegen. Dabei ist es vom Rand ins Zentrum gesellschaftspolitischer Selbstverständigung gerückt. Angesichts der heutigen Omnipräsenz von Migrationsdebatten scheint es erstaunlich, dass der Begriff ›Migration‹ im deutschsprachigen Raum noch in den 1970er Jahren öffentlich kaum verbreitet war. Der folgende Beitrag argumentiert, dass die steile Karriere von Migrationssemantiken seitdem mit tiefergehenden Verschiebungen im Umgang mit grenzüberschreitender Mobilität und Globalisierung einher ging. Der Text folgt der Geschichte des Begriffs ›Migration‹ im deutschsprachigen Raum und geht hierbei am Beispiel der Schweiz der Frage nach: In welchen historischen Zusammenhängen wurde von ›Migration‹ gesprochen und mit welchen Bedeutungen, welche Perspektivwechsel waren damit verbunden und wie konnte sich der neue Diskurs zu einem gesellschaftlichen Migrationskomplex verdichten?