Abstract
In Bourdieus soziokultureller Klassentheorie wird die Reproduktion von Klassenstrukturen
vor allem über Prozesse der intergenerationalen Weitergabe von kulturellem Kapital
und ihrer Manifestation in Lebensstilen erklärt. Dabei wurde gegen Bourdieu behauptet, dass Lebensstile
und insbesondere die Rezeption von Kunst, der von Bourdieu eine zentrale Bedeutung
zugesprochen wird, kaum von der Ausstattung einer Person mit kulturellem Kapital abhängig ist.
In diesem Aufsatz wird die Relevanz von kulturellem Kapital für die Kunstrezeption am Beispiel
der Wahrnehmung von Opernmusik geprüft. Im Gegensatz zu den meisten vorhergehenden Studien
wird daher nicht analysiert, welche Musikrichtungen Personen hören, sondern es wird untersucht,
wie Musik rezipiert wird. Sowohl die Ausstattung der Akteure mit kulturellem Kapital, wie auch
ihre Musikrezeption konnten in einer Publikumsumfrage unter Opernbesuchern differenziert erhoben
werden. In der empirischen Untersuchung wird deutlich, dass es deutlich mehr Formen der
Musikrezeption gibt, als dies in Bourdieus Kunstsoziologie mit ihrem Fokus auf eine decodierende
und analysierende Rezeption behauptet wird. Die Stärke der analysierenden Rezeptionsweise kann
allerdings durch die Ausstattung der Akteure mit kulturellem Kapital relativ gut erklärt werden.