Abstract
Der Begriff der Anfänglichkeit meint eine grundsätzliche Haltung der eigenen Muttersprache gegenüber. In ihm wird die eigene Sprache nicht als isolierte Einzelsprache verstanden, sondern als eingebettet in ein Spannungsfeld vieler Sprachen. Die eigene Sprache ist immer schon berührt von vielen anderen und ist in sich bereits ‚mehrsprachig‘. An einer Strophe aus einem Gedicht von Mallarmé wird gezeigt, wie die literarische Sprache die Erfahrung einer irreduziblen Mehrdeutigkeit vermittelt, die ihrerseits bewirkt, dass die scheinbar bekannte Sprache in die Ferne rückt. Dabei wird der Leser aufgefordert, ein ‚anfänglicheres‘ Verhältnis zu seiner eigenen Sprache zu entwickeln. Anhand eines Textes von Derrida wird zudem deutlich, wie schwierig der Begriff der sprachlich-kulturellen Identität zu fassen ist und inwiefern gerade diese Schwierigkeit das Potential für ein „mehrsprachiges Denken“ in sich birgt.