Abstract
Noch bis weit in die 1980er Jahre herrschte bei vielen Fachleuten die Meinung vor, dass Kinder nur mit vorübergehenden und milden Störungen auf psychisch traumatisierende Ereignisse reagieren (Garmezy u. Rutter 1985). Aufgrund unangepasster Untersuchungsmethoden, unklarer diagnostischer Konzepte und der alleinigen Abstützung auf Informationen von Eltern und Lehrern war das Ausmaß kindlicher Reaktionen auf psychische Traumata lange Zeit nicht wahrgenommen bzw. massiv unterschätzt worden. Dies zeigt sich auch in den internationalen Klassifikationssystemen psychischer Störungen. Als Ergebnis umfangreicher Studien bei amerikanischen Vietnamkriegveteranen wurde die Diagnosekategorie der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im Jahre 1980 ins DSM-III eingeführt und war zunächst eigentlich nur für das Erwachsenenalter definiert. Es dauerte bis ins Jahr 1987, bis die Fachwelt mit der Einführung des DSM-III-R das Auftreten dieser Störung auch bei Kindern anerkannte und einige kindspezifische Symptome wie das traumatische Spiel beschrieben wurden. Wenige Jahre nach der Publikation des DSM-III-R wurde die PTBS als eigene Diagnosekategorie auch ins Klassifikationssystem ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation aufgenommen, allerdings ohne spezifische Nennung kindlicher Symptome. Systematische Beschreibungen psychotraumatischer Symptome im Kindesalter finden sich in der Fachliteratur seit Beginn der 1990er Jahre, und die Befunde zeigen sehr deutlich, dass ein erheblicher Teil von Kindern nach einem Trauma posttraumatische Belastungsstörungen entwickelt.