Abstract
Der frühe sowjetische Strafvollzug wertete Verbrecher als „sozial Nahestehende“, die nach romantisierenden arstellungen in den Lagern zu guten Bürgern der neuen Ordnung erzogen wurden. Tatsächlich war der Gulag das Goldene Zeitalter der kriminellen Unterwelt. Kriminelle bauten in den Lagern eine Gegenkultur auf. Das Machtmonopol in ihren Händen, das zur Überwachung der anderen Häftlinge diente, ließ die stalinistische Disziplinierungspolitik in einem Zerrspiegel erscheinen. Varlam Šalamov und Danilo Kiš unterlaufen den Mythos vom edlen Ganoven. Sie verfolgen die Transformation der menschlichen Psyche im Lager, sichern
Blutspuren der Verbrechen, archivieren Opfer- und Täterakten des verschwundenen Kontinents Kolyma.·