Abstract
Hat die Gemeindeversammlung im Kanton Zürich ausgedient? Ist sie noch zeitgemäss? Fragen rund um Gemeindeversammlungen sind aktuell wie schon lange nicht mehr. Vorbehalte gegenüber der Gemeindeversammlung finden vor allem in drei Vorwürfen Ausdruck: Anlass zur Kritik bietet die Feststellung, dass Gemeindeversammlungen in der Regel schlecht besucht sind. Sind von einer Minderheit der Stimmberechtigten getroffenen Entscheide legitim? Zweitens wird der Vorwurf laut, Interessengruppen würden die Gemeindeversammlungen durch selektive Mobilisierung ihrer Mitglieder majorisieren. Handelt es sich bei Gemeindeversammlungen um Manipulierveranstaltungen? Drittens kann seit Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung ein Drittel der an der Gemeindeversammlung anwesenden Stimmberechtigten verlangen, dass über einen Beschluss der Gemeindeversammlung nachträglich an der Urne abzustimmen ist (Art. 86 Abs. 3 KV). Verkommt die Gemeindeversammlung damit zur Farce? Diese drei Vorwürfe werden in der vorliegenden Analyse untersucht. Sie zeigt, erstens, dass Gemeindeversammlungen durchschnittlich nur von 5% der Stimmberechtigten besucht werden. Dem Prinzip der Versammlungsdemokratie folgend erscheint aber nicht so sehr die quantitative als vielmehr die qualitative Partizipation als zentrales Legitimitätskriterium. Zweitens kann mit Blick auf die sehr hohen Erfolgsquoten der Behörden sowohl an der Gemeindeversammlung wie auch an der Urne der Vorwurf der selektiven Mobilisierung zurückgewiesen werden. Die kritisierten nachträglich eingeforderten Urnenabstimmungen machen die Gemeindeversammlung, drittens, keineswegs zur Farce, handelt es sich doch um ein sehr seltenes Phänomen, das seit Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung bisher auch nicht zugenommen hat. Zusammengenommen zeigt die Analyse, dass die Versammlungsdemokratie in den Zürcher Gemeinden keineswegs ausgedient hat, sondern mit geeigneten Massnahmen weiter lebendig gehalten werden kann.