Abstract
Historiographische Werke verraten, wie eine Gruppe sich in der Geschichte verortet und dadurch auch, welche Identität sie sich selbst zuschreibt. Leider hat uns die historiographische Produktion der Mozaraber nur bruchstückhaft erreicht. Wenn man sich auf die Schriften der Christen in al-Andalus konzentriert, sind es gerade vier Werke, die bis auf uns kamen. Man kann dabei nicht von einer mozarabischen Geschichtsschreibung als zusammenhängende, klar abgegrenzte Textgruppe sprechen; in diesem Aufsatz wird lediglich gefragt, ob in diesen vier Werken Grundzüge eines gemeinsamen Geschichtsbildes zu finden sind. In einem ersten Schritt wird geklärt, welche Vorbilder den andalusischen Christen zur Verfügung standen. Hinweise darüber finden sich an unterschiedlichen Stellen. Daraus entsteht ein einheitliches Bild: In Al-Andalus wurden christliche Autoren aus der Spätantike oder aus westgotischer Zeit gelesen. Einen besonderen Einfluss scheinen die spätantiken Chroniken ausgeübt zu haben. Bei all den Texten, die eine Vorbildfunktion ausüben konnten, finden zwei institutionelle Gebilde besondere Aufmerksamkeit, in größerem oder kleinerem Umfang: die Kirche und das Römische Reich. Besonders wichtig ist die Frage, wer die Autoren waren. Es geht hier nicht darum, ihnen einen Namen zu geben, sondern vielmehr um die grundlegendere Frage, ob es Christen oder Muslime waren. Bei zwei Werken stellt sich diese Frage nicht, denn die Autoren sind eindeutig Christen; bei zwei anderen handelt es sich entweder um Christen, die nicht besonders kirchennah waren oder sogar um Gemeinschaftsarbeiten zwischen einem Christen und einem Muslim. Auch das Publikum war wohl nicht einheitlich und schloss Muslime mit ein. Bei dieser Untersuchung wurde deutlich, dass eine klare Unterscheidung zwischen christlichen und muslimischen Texten (sei es im Hinblick auf den Autor oder auf das Publikum) nicht immer möglich ist. Bei dieser unübersichtlichen Lage könnte man der Versuchung erliegen, Texte nur dann als "mozarabisch" zu bezeichnen, wenn der Autor sich eindeutig christlich oder anti-islamisch gibt. Dieser Versuchung darf man nicht erliegen, denn sie könnte eine tatsächliche Vielfalt der Meinungen bei den Christen verdecken. Die Vergangenheit, die in diesen Werken als christliche Geschichte angesehen wird, liegt vor dem arabischen Einfall und wird von der christlichen Geschichtsschreibung der Spätantike und von der Bibel vorgegeben. Was ihre Gegenwart anbetrifft, scheinen diese Autoren sich nur in unterschiedlichem Grad mit kirchlichen Belangen identifiziert zu haben; eine Identifizierung mit nichtandalusischen Christen ist nicht erkennbar.
Abstract
Historiographische Werke verraten, wie eine Gruppe sich in der Geschichte verortet und dadurch auch, welche Identität sie sich selbst zuschreibt. Leider hat uns die historiographische Produktion der Mozaraber nur bruchstückhaft erreicht. Wenn man sich auf die Schriften der Christen in al-Andalus konzentriert, sind es gerade vier Werke, die bis auf uns kamen. Man kann dabei nicht von einer mozarabischen Geschichtsschreibung als zusammenhängende, klar abgegrenzte Textgruppe sprechen; in diesem Aufsatz wird lediglich gefragt, ob in diesen vier Werken Grundzüge eines gemeinsamen Geschichtsbildes zu finden sind. In einem ersten Schritt wird geklärt, welche Vorbilder den andalusischen Christen zur Verfügung standen. Hinweise darüber finden sich an unterschiedlichen Stellen. Daraus entsteht ein einheitliches Bild: In Al-Andalus wurden christliche Autoren aus der Spätantike oder aus westgotischer Zeit gelesen. Einen besonderen Einfluss scheinen die spätantiken Chroniken ausgeübt zu haben. Bei all den Texten, die eine Vorbildfunktion ausüben konnten, finden zwei institutionelle Gebilde besondere Aufmerksamkeit, in größerem oder kleinerem Umfang: die Kirche und das Römische Reich. Besonders wichtig ist die Frage, wer die Autoren waren. Es geht hier nicht darum, ihnen einen Namen zu geben, sondern vielmehr um die grundlegendere Frage, ob es Christen oder Muslime waren. Bei zwei Werken stellt sich diese Frage nicht, denn die Autoren sind eindeutig Christen; bei zwei anderen handelt es sich entweder um Christen, die nicht besonders kirchennah waren oder sogar um Gemeinschaftsarbeiten zwischen einem Christen und einem Muslim. Auch das Publikum war wohl nicht einheitlich und schloss Muslime mit ein. Bei dieser Untersuchung wurde deutlich, dass eine klare Unterscheidung zwischen christlichen und muslimischen Texten (sei es im Hinblick auf den Autor oder auf das Publikum) nicht immer möglich ist. Bei dieser unübersichtlichen Lage könnte man der Versuchung erliegen, Texte nur dann als "mozarabisch" zu bezeichnen, wenn der Autor sich eindeutig christlich oder anti-islamisch gibt. Dieser Versuchung darf man nicht erliegen, denn sie könnte eine tatsächliche Vielfalt der Meinungen bei den Christen verdecken. Die Vergangenheit, die in diesen Werken als christliche Geschichte angesehen wird, liegt vor dem arabischen Einfall und wird von der christlichen Geschichtsschreibung der Spätantike und von der Bibel vorgegeben. Was ihre Gegenwart anbetrifft, scheinen diese Autoren sich nur in unterschiedlichem Grad mit kirchlichen Belangen identifiziert zu haben; eine Identifizierung mit nichtandalusischen Christen ist nicht erkennbar.
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