Abstract
Hintergrund: Im Selbstverständnis heutiger Anästhesisten basiert ihr Fachgebiet Anästhesiologie auf vier Säulen: Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin. So allgemein trifft das aber weder in horizontaler (also in allen entwickelten Ländern) noch in vertikaler (historischer) Sichtweise zu; inwieweit es in Zukunft so bleiben könnte oder sollte, soll analysiert werden. Geschichte: Bis zum Ende des 2. Weltkriegs gab es das Fachgebiet nur in den angloamerikanischen Ländern, dann entwickelte es sich auch in Kontinentaleuropa, zunächst beschränkt auf die Anästhesie im engeren Sinne. Ab etwa 1960 waren Anästhesisten aktiv an der Entwicklung der Intensiv- und Notfallmedizin beteiligt, so dass als Name Anästhesiologie gegenüber Anästhesie bevorzugt wurde. Ab etwa 1970 wurden Anästhesisten auch Schmerztherapeuten, ihr Fach hatte jetzt vier Säulen. Gegenwart: Heute ist das Strukturmodell der vier Säulen allgemein akzeptiert. Die Anästhesie, das „Kerngeschäft“, ist nicht mehr mit Narkosegeben gleichzusetzen. Der Anästhesist hat sich vom Narkotiseur zum Homöostatiker entwickelt und ist zum perioperativen Mediziner geworden. Aber: die anderen drei Säulen stützen nicht nur das Bauwerk Anästhesiologie, sondern auch die Gebäude anderer Fachgebiete. Sogar eine 5. Säule gerät ins Blickfeld, sei darunter die Palliativmedizin oder das medizinische Management verstanden. Zukunft: Die Medizin und das Gesundheitswesen insgesamt wandeln sich ständig. Vorausschauend und aktiv ist Herausforderungen wie Ökonomisierung, Manpowerproblemen, wachsenden Patientenansprüchen, Änderungen in Demographie, Arbeitswelt und Berufsbild zu begegnen. Um ihren hohen Rang im medizinischen Gefüge halten und ausbauen zu können, sollte die Anästhesiologie nicht mehr als Vier- oder Fünfsäulenschema, sondern als dreidimensionale Matrixstruktur gedacht werden. Deren drei sichtbare Flächen repräsentieren die klinischen Zuständigkeiten, die Aufgaben in Forschung und Lehre und die Aktivitäten in Führung und Management. Alle Elemente sind engstens miteinander verzahnt und können nicht mehr isoliert praktiziert werden.