Geburtshilfliche Phytotherapie im Mittelalter in der Schweiz: ausgewählte Beispiele aus dem Rezeptbuch des Burkhard III. von Hallwyl
von Mandach, U (2009). Geburtshilfliche Phytotherapie im Mittelalter in der Schweiz: ausgewählte Beispiele aus dem Rezeptbuch des Burkhard III. von Hallwyl. In: Abschluss des CAS Ethnomedizin/Ethnobotanik, Schweiz, 2009.
Abstract
Das um 1580 von Burkhard III. von Hallwyl (1535-1598) verfasste Rezeptbuch enthält annährend 3000 Rezepte in frühneuhochdeutscher Sprache. Es handelt sich dabei um eigentliche erprobte Hausmittel, die ihm von seinen Vorfahren überliefert oder von Freunden und ausnahmsweise auch von Ärzten oder anderen Medizinalpersonen zugetragen wurden. Das Rezeptbuch diente einerseits seiner Familie bzw. dem Hause Hallwyl und dessen Nachkommen und andererseits auch dem „gemeinen Mann“ (Sammelbegriff für gebildete medizinische Laien, Bader, Hebammen), dies wohl deshalb, weil ausserhalb der Klöster keine ausgebildeten Mediziner tätig waren. In der Bevölkerung existierte eine Volksmedizin, die von Frauen und Hebammen tradiert wurde. Diese nichtärztlichen Personen verwendeten die Rezepte als Quelle für ihre Therapien. Die folgende Arbeit widmet sich der Analyse der Zubereitungen in dieser Abschrift (datiert Hallwyl, den 27. Dez. 1611) bzw. in der darauf basierenden Transkription durch P. Gasser und F. Schmid-Bai. Innerhalb der speziell „für die Frau“ aufgelisteten Rezeptsammlung existieren 54 Rezepte, davon 28 Rezepte mit einer Indikation, die mit der Geburtshilfe assoziiert ist. Diese Rezepte beinhalten 61 stoffliche Bestandteile, darunter 31 verschiedene Pflanzen mit den Hauptkomponenten Sesquiterpene, Flavonide und Glykoside. Mengenangaben bei der Herstellung der Rezepte existieren kaum, Dosierungsangaben beziehen sich v.a. auf Haushaltsgegenstände oder Münzen. Im Vordergrund steht die orale und v.a. lokale Applikation (in Form von Dampfbädern und Wickel). Signaturen lassen sich einige erkennen z.B. Vögel vorgeburtlich, d.h. vor dem Schlüpfen bzw. bei drohender Frühgeburt; Lattich (Lactuca; Milchsaft als Lactagogum). Die meisten Rezepte fokussieren auf den Zustand der Wehenschwäche 4 (Geburtsstillstand) oder der fehlenden Wehen (Geburtseinleitung bei Übertragung). Dabei dominiert der kriechende Günsel (Ajuga reptans) mit verschiedenen ähnlich klingenden Bezeichnungen (Rotte Buckeln etc). Er enthält Iridoidglykodside, die purgativ wirken können. Zudem finden auch solche Pflanzen Verwendung, von denen man heute weiss, dass sie abführend wirken: Sennesblätter (Sennae folium), Faulbaumrinde (Frangulae cortex) oder Datteln (Fructus aus Phoenix datylifera). Bei der Indikation Geburtsverletzungen werden Kamillenblüte (Matricariae flos) als Oel und Schafgarbenkraut (Millefolii herba) benutzt, sie wirken adstringierend, antiphlogistisch und fördern die Heilung verletzter Schleimhäute. Dazu werden sie auch heute noch eingesetzt. Gegen postpartale Erschöpfung dienen viele Gewürze. Diese haben eine verdauungssaftanregende Wirkung. Sie werden in diesem Sinne als Tonicum bei körperlicher Erschöpfung noch heute verwendet.
Abstract
Das um 1580 von Burkhard III. von Hallwyl (1535-1598) verfasste Rezeptbuch enthält annährend 3000 Rezepte in frühneuhochdeutscher Sprache. Es handelt sich dabei um eigentliche erprobte Hausmittel, die ihm von seinen Vorfahren überliefert oder von Freunden und ausnahmsweise auch von Ärzten oder anderen Medizinalpersonen zugetragen wurden. Das Rezeptbuch diente einerseits seiner Familie bzw. dem Hause Hallwyl und dessen Nachkommen und andererseits auch dem „gemeinen Mann“ (Sammelbegriff für gebildete medizinische Laien, Bader, Hebammen), dies wohl deshalb, weil ausserhalb der Klöster keine ausgebildeten Mediziner tätig waren. In der Bevölkerung existierte eine Volksmedizin, die von Frauen und Hebammen tradiert wurde. Diese nichtärztlichen Personen verwendeten die Rezepte als Quelle für ihre Therapien. Die folgende Arbeit widmet sich der Analyse der Zubereitungen in dieser Abschrift (datiert Hallwyl, den 27. Dez. 1611) bzw. in der darauf basierenden Transkription durch P. Gasser und F. Schmid-Bai. Innerhalb der speziell „für die Frau“ aufgelisteten Rezeptsammlung existieren 54 Rezepte, davon 28 Rezepte mit einer Indikation, die mit der Geburtshilfe assoziiert ist. Diese Rezepte beinhalten 61 stoffliche Bestandteile, darunter 31 verschiedene Pflanzen mit den Hauptkomponenten Sesquiterpene, Flavonide und Glykoside. Mengenangaben bei der Herstellung der Rezepte existieren kaum, Dosierungsangaben beziehen sich v.a. auf Haushaltsgegenstände oder Münzen. Im Vordergrund steht die orale und v.a. lokale Applikation (in Form von Dampfbädern und Wickel). Signaturen lassen sich einige erkennen z.B. Vögel vorgeburtlich, d.h. vor dem Schlüpfen bzw. bei drohender Frühgeburt; Lattich (Lactuca; Milchsaft als Lactagogum). Die meisten Rezepte fokussieren auf den Zustand der Wehenschwäche 4 (Geburtsstillstand) oder der fehlenden Wehen (Geburtseinleitung bei Übertragung). Dabei dominiert der kriechende Günsel (Ajuga reptans) mit verschiedenen ähnlich klingenden Bezeichnungen (Rotte Buckeln etc). Er enthält Iridoidglykodside, die purgativ wirken können. Zudem finden auch solche Pflanzen Verwendung, von denen man heute weiss, dass sie abführend wirken: Sennesblätter (Sennae folium), Faulbaumrinde (Frangulae cortex) oder Datteln (Fructus aus Phoenix datylifera). Bei der Indikation Geburtsverletzungen werden Kamillenblüte (Matricariae flos) als Oel und Schafgarbenkraut (Millefolii herba) benutzt, sie wirken adstringierend, antiphlogistisch und fördern die Heilung verletzter Schleimhäute. Dazu werden sie auch heute noch eingesetzt. Gegen postpartale Erschöpfung dienen viele Gewürze. Diese haben eine verdauungssaftanregende Wirkung. Sie werden in diesem Sinne als Tonicum bei körperlicher Erschöpfung noch heute verwendet.
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