Abstract
Der Dreikönigskuchen am 6. Januar ist einer der erfolgreichsten aktuellen Bräuche mit einer gesamtschweizerischen Verbreitung. Die spezifische Relevanz dieses Brauchhandelns belegen allein die eindrücklichen Zahlen: Aktuell werden in der Schweiz jährlich gegen 1,5 Millionen Dreikönigskuchen verkauft, was ungefähr einen Kuchen pro Haushalt bedeutet. Der Beitrag unterzieht den Dreikönigskuchen einer historischen Brauchforschung, referiert die «Revitalisierung» des Brauches ab den 1940er-Jahren mit historischen und volkskundlichen Argumenten und betrachtet die gegenwärtige Brauchpraxis. In der Verbindung mit institutionellen Brauchmultiplikatoren, der generellen Deutungsoffenheit und dem minimalen Repertoire an ritualisierten Elementen sind die Gründe für den Erfolg des Brauches zu suchen. Sie begründen die hohe Anschlussfähigkeit für kommerzielle Interessen sowie die Bedeutung zur Herstellung sozialer Bindungen und der Stabilisierung von Hierarchien innerhalb der Unternehmens- und Bürokultur. Vor dem Hintergrund der Analyse funktionaler Bedeutungen gegenwärtiger Bräuche plädiert der Beitrag für vermehrte Brauchforschung in unserem Fach.