Abstract
Um 1900 war Albert Heim einer der führenden Alpentektoniker. 1878 veröffentlichte er eine exzellent bebilderte Studie über die Anatomie der Falten, die auf dem Gebiet der Faltengebirge bald zum Klassiker wurde. Die Glarner Alpen interpretierte er darin nicht als überschiebung, sondern als Doppelfalte, eine These, die bereits sein Lehrer Arnold Escher vorsichtig formuliert hatte: Zwei einander gegenüberstehende Falten permischer und mesozoischer Gesteine umschliessen, so die Annahme, eine tabakbeutelförmige Mulde aus tertiärem Flysch. 1884 zeigte der französische Geologe Marcel Bertrand, dass eine einzige nordwärts gerichtete überschiebung plausibler war. Heim jedoch ignorierte diese und jede andere Kritik über Jahre, obwohl ihm schon in den 1880er und 1890er Jahren hätte klar sein können, dass die Idee einer Doppelfalte höchst unwahrscheinliche Schlussfolgerungen nach sich zog. Erst 1901 akzeptierte Heim die dann schon allgemein etablierte Deckenstruktur für die Glarner Alpen. Der Artikel skizziert die Geschichte der alpentektonischen Forschung im 19. Jahrhundert. Er stellt insbesondere die Beiträge Heims heraus. Abschliessend wird überlegt, warum Heim ungeachtet seiner ausserordentlichen geologischen Kenntnisse über 30 Jahre lang an einer beinahe unmöglichen Theorie festhielt.