Abstract
Die Transition von der obligatorischen Schule in eine zertifizierende Ausbildung ist in der Schweiz schwieriger geworden: Ein Viertel aller Jugendlichen schafft diesen Übergang an der ersten Schwelle nicht direkt, sondern mit Umwegen über eine Zwischenlösung. Obwohl die bisherige Forschung aufgezeigt hat, dass gewisse Gruppen wie Frauen, Jugendliche der tieferen Schulstufe oder mit Migrationshintergrund vermehrt von Umwegen betroffen sind, weiss man wenig über die Ursachen dieser Kanalisationsprozesse. Die Dissertation untersucht, welche Rolle Kompetenzeinschätzungen aus unterschiedlichen Perspektiven beim Übertritt von der obligatorischen Schule in eine zertifizierende Ausbildung der Sekundarstufe II und von der Zwischenlösung in eine zertifizierende Ausbildung spielen. Auf der Basis einer soziologischen Definition von Kompetenz als Zuschreibung von Zuständigkeit (Pfadenhauer, 2009; Weber, 1980/1922) und unter Berücksichtigung institutioneller Aspekte (Buchmann & Kriesi, 2010; Gomolla & Radtke, 2007) wird hergeleitet, welche sozialen und institutionellen Faktoren die Kompetenzerwartungen und -einschätzungen mit beeinflussen. Datengrundlage bilden zwei Befragungswellen des repräsentativen Schweizerischen Kinder- und Jugendsurveys COCON bei 1162 Jugendlichen, deren primären Bezugspersonen und Lehrpersonen. Die Jugendlichen wurden kurz vor der Transition als 15-Jährige und im Frühling nach der Transition als 16-Jährige befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass Kompetenzeinschätzungen aus Sicht der Jugendlichen, der Eltern und der Lehrpersonen divergieren und dass in Abhängigkeit der Informantengruppe unterschiedliche Kompetenzeinschätzungen die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Transition in die zertifizierende Ausbildung vorhersagen. Insgesamt bestätigt sich das Bild einer Kumulation von benachteiligenden Faktoren bei der Generierung gruppenspezifischer Kompetenzzuschreibungen an der ersten Schwelle.