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Innovation and ratcheting in captive orangutans


Lehner, Stephan Reto. Innovation and ratcheting in captive orangutans. 2010, University of Zurich, Faculty of Science.

Abstract

Auffallende geographische Variation von Verhaltensweisen ist Beleg für das Vorhandensein von Kultur in unseren nächsten lebenden Verwandten, den Schimpansen und Orangutans. Kultur entsteht, wenn in einer Population mehrere innovative Verhaltensweisen von Individuum zu Individuum sozial weitergegeben werden. Innovation und soziales Lernen sind die Grundlage für Tradition und Kultur. Aber im Vergleich zu den Mechanismen sozialen Lernens und wie diese ermöglichen, dass sich eine von einem Individuum neu erfundene Verhaltensweise in einer Population verbreitet, hat das eigentliche Auftreten solcher neu gelernter Verhaltensweisen, Innovationen, weit weniger Beachtung gefunden. Dies gründet grösstenteils in den Schwierigkeiten, Innovationen überhaupt zu erkennen. Ramsey & Co. (2007) liessen sich bei ihrer Vorgehensweise zur Erkennung von Innovationen in natürlichen Populationen von Methoden inspirieren, anhand derer sich Kultur implizieren lässt. Da die kulturelle Verbreitung von Innovationen dazu führt, dass es zu geographischen Unterschieden im Repertoire an Verhaltensweisen zwischen Populationen derselben Art kommt, welche sich nicht alleine durch genetische und ökologische Faktoren erklären lassen, kann gefolgert werden, dass es sich bei solchen Verhaltensweisen um Innovationen handelt. Dieser Ansatz wurde von van Schaik & Co. (2006) bei der Erstellung einer Liste von 43 potentiellen Innovationen in wilden Orangutans angewandt. Der erste Gegenstand der vorliegenden Arbeit war daher die Überprüfung des von Ramsey & Co. (2007) vorgeschlagenen Verfahrens zur Bestimmung von Innovationen im Freiland. Zu diesem Zweck wurde der Vergleich der Verhaltensrepertoires auf eine Population Orangutans des Zoos Zürich ausgedehnt. Zuerst erstellten wir ein Inventar der Verhaltensweisen der Gruppe; vier der zehn mutmasslichen Innovationen aus dem Feld die alle auch unter den vorherrschenden Bedingungen im Zoo hätten beobachtet werden können wurden aufgrund ihrer Abwesenheit als Innovationen verifiziert. Als zweites stellten wir die relevanten Bedingungen experimentell her, um den Innovationsstatus fünf weiterer mutmasslicher Innovationen freilebender Orangutans zu evaluieren. Vier davon konnten als Innovationen bestätigt werden und eine weitere als Modifikation einer Innovation. Die Qualifikation basierte in einem Fall auf Abwesenheit, in den anderen Fällen auf der verstrichenen Zeit, bis zu der die verschiedenen Individuen eine Verhaltensweise erstmals zeigten, im Vergleich mit dem Auftreten schon bekannter Verhaltensweisen. 53 % (8 von 15) der hier untersuchten mutmasslichen Innovationen aus dem Freiland konnten als Innovationen bekräftigt werden, und die Zugabe von drei weiteren Fällen von möglichen Innovationen und dem einem Fall der Modifikation einer Innovation würde diese Zahl gar auf 80 % ansteigen lassen. Daraus folgern wir, dass das Verfahren von Ramsey & Co. (2007) zur Bestimmung von Innovationen im Freiland auch tatsächlich geeignet ist. Die Verifizierungsstudie zeigte auch ein unerwartetes Resultat, nämlich eine bemerkenswert hohe Innovationsrate der Zoo-Orangutans. Diese Erkenntnis konnte dazu verwendet werden, um Licht ins Dunkle einer der verblüffendsten Beobachtungen über Kultur bei Menschenaffen zu bringen: die einzigartigen kulturellen Errungenschaften des Menschen, gegenüber der bescheidenen Kultur von Schimpanse oder Orangutan. Es wird argumentiert, dass diese Diskrepanz dadurch entstand, dass nur der Mensch kumulative Weiterentwicklung von Techniken betreiben kann. Kulturelle Elemente und Produkte des Menschen ändern sich im Laufe der Zeit, wobei verschiedene Individuen diese kumulativ in Richtung höherer Komplexität modifizieren, was als kumulative kulturelle Evolution oder als „Ratchet Effekt“ bezeichnet wurde (Tomasello & Co., 1993). Der zweite Gegenstand dieser Dissertation war daher die Fähigkeit für kumulative Weiterentwicklung von Techniken bei Zoo-Orangutans zu evaluieren. Es gibt bisher keine Hinweise für kumulative Weiterentwicklung von Techniken bei Orangutans, hingegen von Schimpansen gibt es ein paar Hinweise aus dem Freiland. Kürzlich wurde aber bei Zoo-Schimpansen festgestellt, dass sie eher konservativ sind und an der ihnen bekannten Technik festhalten, selbst nachdem man ihnen effektivere Alternativen vorgezeigt hat. Flexibilität im Problemlösen, im Sinne dass Individuen auch nach dem Ausüben einer ersten Lösungsmöglichkeit weiterhin Bereitschaft zeigen, neue Lösungswege zu akquirieren, sei es durch eigene Innovation oder durch soziales Lernen von einem anderen Individuum in der Gruppe, ist eine zwingende Grundvoraussetzung für kumulative Weiterentwicklung von Techniken und schliesslich auch für kumulative Kultur. Wir untersuchten, ob Zoo- Orangutans, anders als Zoo-Schimpansen, solche Flexibilität im Problemlösen zeigen würden. Dazu schränkten wir die Bedingungen in einem Experiment zweimal ein, indem zuvor bevorzugte Techniken zur Lösung des Problems verunmöglicht wurden. Unsere Orangutans zeigten tatsächlich grosse Flexibilität; sie gaben bevorzugte aber verunmöglichte Techniken auf und wechselten zu anderen Techniken, welche nicht nur funktional sondern auch effizient waren. Wenn neue Bedingungen auftreten, kann sich Flexibilität ultimativ auch in Innovationen ausdrücken, die kumulativ auf bisherigen Lösungswegen aufbauen. Und in der Tat erfanden unsere Versuchstiere zwei Techniken, die kumulative Weiterentwicklungen von früheren Techniken darstellten. Nachdem wir also zeigen konnten, dass Zoo-Orangutans die Fähigkeit für kumulative Weiterentwicklung von Techniken besitzen wenn die Bedingungen der Aufgabe erschwert wurden, untersuchten wir weiter, ob sie das auch bei konstanten Bedingungen noch tun. Wir stellten aber fest, dass das Auftreten von neuen Notwendigkeiten durch das Vereiteln bisheriger Lösungen eine Voraussetzung für die kumulative Weiterentwicklung von Techniken war. Kein Tier war unter sich nicht ändernden Bedingungen in der Lage, eine vorgegebene kumulative Technik zu lernen. Erst nachdem bisherige Lösungen zur Aufgabe vereitelt wurden schaffte es schliesslich ein Tier, die kumulative Technik zu erlernen. Zusammengefasst zeigten unsere Experimente, dass Zoo-Orangutans nicht nur viel innovativer sind als ihre wilden Artgenossen, sondern auch zu kumulativen Innovationen fähig sind, Innovationen also, welche kumulative Weiterentwicklung auf bisherigen Techniken darstellen. Wir fanden weiter, dass das Auftreten von neuen Notwendigkeiten, kreiert durch das Vereiteln bisheriger Lösungen, ein notwendiger Faktor war für die kumulative Weiterentwicklung von Techniken. Dies deutet darauf hin, dass das Fehlen von kumulativer Kultur bei Orangutans im Freiland nicht in mangelnder Flexibilität gründet wenn bisherige Lösungen nicht mehr taugen, und auch nicht mit einer generellen Unfähigkeit zu kumulativer Weiterentwicklung bestehender Techniken erklärt werden kann. Vielmehr tritt der dafür kritische Faktor, das Auftreten neuer Notwendigkeiten durch das Wegfallen der bisherigen Lösung(en), im Freiland kaum je in dieser Form auf, hingegen spielen andere Faktoren eine Rolle, die für die Objektmanipulation hinderlich sind und auch zu einer geringeren Neigung zu Innovationen bei freilebenden Orangutans führen.

Summary
Striking geographic variation in behavior provides evidence for culture in our closest living relatives, chimpanzees and orangutans. Culture consists of multiple innovations that have been socially transmitted within a population. Hence, innovation and social learning are the raw materials for traditions and culture. But compared to social learning mechanisms and how they allow novel learned behaviors to be transmitted in a group, the very occurrence of such novel learned behaviors, innovations, have received far less scrutiny, largely because of difficulties assessing the innovation status of behaviors. A recent attempt to recognize innovations in natural populations suggested by Ramsey et al. (2007) was inspired by techniques to infer culture from geographic patterns in behavior. The basic idea is that since cultural transmission of innovation results in geographically different behavioral repertoires among populations of the same species that cannot be explained by genetic or ecological factors alone, innovation status can be inferred to such behavior patterns. The approach of Ramsey et al. (2007) has been applied by van Schaik et al. (2006) to generate a list of 43 potential innovations in wild orangutans. Thus, the first objective was to validate that procedure for recognizing innovations. We did so by extending the comparison to a captive population of orangutans from Zoo Zurich. First, we created an inventory of the behavioral repertoire in the zoo populations; four of ten putative innovations recognized in the field and potentially observable in our captive population were verified as innovations based on their absence despite appropriate conditions. Second, we experimentally produced relevant conditions to evaluate the status of another five putative innovations from the wild. Four qualified as innovations and one as modification, based in one case on absence and in the remaining others on latencies of first occurrence across individuals relative to known behaviors. Because 53 % (8 of 15) of those putative innovations recognized in the field we investigated in this analysis were confirmed as innovations, and adding another three assigned possible innovation status and one modification would raise this figure to 80 %, we conclude that our findings largely confirm the assessments of innovations by van Schaik et al. (2006) and hence the geographic method for detecting innovations in the wild (Ramsey et al., 2007) is valid. One unexpected finding of this validation study was the remarkably high rate of innovation among captive orangutans. This finding could be used to shed light on one of the most striking findings of culture studies on wild great apes, namely the vast discrepancy in cultural accomplishments between humans and great apes. This discrepancy has been argued to be due to cumulative build-up of techniques being a human uniqueness. Human cultural variants tend to change over time, and many seem to accumulate modifications made by different individuals over time in the direction of greater complexity, which has been described as cumulative cultural evolution or the ratchet effect (Tomasello et al., 1993). The second objective of this thesis was therefore to evaluate captive orangutans’ ability for cumulative build-up of techniques. So far there has been no indication of cumulative build-up of techniques (ratcheting) in wild orangutans, unlike in chimpanzees where there are some possible examples from the field. But captive chimpanzees were recently found to be rather conservative, sticking to the technique they had mastered, even after more effective alternatives were demonstrated. Behavioral flexibility in problem solving, in the sense of individuals’ continued interest in and acquisition of new solutions to a task, through either innovation or social learning, after already having mastered a previous solution, is a vital prerequisite for cumulative build-up of techniques, and eventually for cumulative culture. We investigated whether captive orangutans would, in contrast to chimpanzees, show the behavioral flexibility necessary for cumulative build-up of techniques. We restricted the condition of a task twice, thereby making previously preferred techniques impossible. Orangutans indeed showed high behavioral flexibility, abandoning preferred techniques that had been made non-functional, and switching to different, functional and efficient techniques. As novel conditions arise, behavioral flexibility may ultimately be expressed by innovations that are solutions cumulatively building up on previous ones. Indeed, subjects eventually came up with two solutions that cumulatively built up on earlier ones. After having demonstrated that captive orangutans were capable of cumulative build-up on previous techniques as conditions of the task changed, we evaluated whether cumulative build-up of techniques was also possible under constant conditions. But we found those novel exigencies were indeed required for ratcheting. None of the subjects was able to learn a cumulatively built-up technique under unchanging conditions, only after previous solutions to the task had been made ineffective, one individual finally succeeded to learn the ratcheted technique. In conclusion, our results showed that captive orangutans are not only more innovative than their wild conspecifics, but captive orangutans are also capable to make ratcheted innovations (i.e. innovations that are solutions cumulatively building up on previous solutions). Novel exigencies inhibiting previous solutions to the task were found to be a factor stringently required for such cumulative build-up of techniques. This suggests that the lack of cumulative culture in wild orangutans is not due to a lack of behavioral flexibility when existing solutions to tasks become impossible, or an inability to cumulatively build up on previous solutions. Rather, this critical factor of novel exigencies inhibiting previous feeding techniques is mostly missing in the wild, while at the same time other factors are in place that are impeding object manipulation and also cause the low innovation tendency in wild orangutans.

Abstract

Auffallende geographische Variation von Verhaltensweisen ist Beleg für das Vorhandensein von Kultur in unseren nächsten lebenden Verwandten, den Schimpansen und Orangutans. Kultur entsteht, wenn in einer Population mehrere innovative Verhaltensweisen von Individuum zu Individuum sozial weitergegeben werden. Innovation und soziales Lernen sind die Grundlage für Tradition und Kultur. Aber im Vergleich zu den Mechanismen sozialen Lernens und wie diese ermöglichen, dass sich eine von einem Individuum neu erfundene Verhaltensweise in einer Population verbreitet, hat das eigentliche Auftreten solcher neu gelernter Verhaltensweisen, Innovationen, weit weniger Beachtung gefunden. Dies gründet grösstenteils in den Schwierigkeiten, Innovationen überhaupt zu erkennen. Ramsey & Co. (2007) liessen sich bei ihrer Vorgehensweise zur Erkennung von Innovationen in natürlichen Populationen von Methoden inspirieren, anhand derer sich Kultur implizieren lässt. Da die kulturelle Verbreitung von Innovationen dazu führt, dass es zu geographischen Unterschieden im Repertoire an Verhaltensweisen zwischen Populationen derselben Art kommt, welche sich nicht alleine durch genetische und ökologische Faktoren erklären lassen, kann gefolgert werden, dass es sich bei solchen Verhaltensweisen um Innovationen handelt. Dieser Ansatz wurde von van Schaik & Co. (2006) bei der Erstellung einer Liste von 43 potentiellen Innovationen in wilden Orangutans angewandt. Der erste Gegenstand der vorliegenden Arbeit war daher die Überprüfung des von Ramsey & Co. (2007) vorgeschlagenen Verfahrens zur Bestimmung von Innovationen im Freiland. Zu diesem Zweck wurde der Vergleich der Verhaltensrepertoires auf eine Population Orangutans des Zoos Zürich ausgedehnt. Zuerst erstellten wir ein Inventar der Verhaltensweisen der Gruppe; vier der zehn mutmasslichen Innovationen aus dem Feld die alle auch unter den vorherrschenden Bedingungen im Zoo hätten beobachtet werden können wurden aufgrund ihrer Abwesenheit als Innovationen verifiziert. Als zweites stellten wir die relevanten Bedingungen experimentell her, um den Innovationsstatus fünf weiterer mutmasslicher Innovationen freilebender Orangutans zu evaluieren. Vier davon konnten als Innovationen bestätigt werden und eine weitere als Modifikation einer Innovation. Die Qualifikation basierte in einem Fall auf Abwesenheit, in den anderen Fällen auf der verstrichenen Zeit, bis zu der die verschiedenen Individuen eine Verhaltensweise erstmals zeigten, im Vergleich mit dem Auftreten schon bekannter Verhaltensweisen. 53 % (8 von 15) der hier untersuchten mutmasslichen Innovationen aus dem Freiland konnten als Innovationen bekräftigt werden, und die Zugabe von drei weiteren Fällen von möglichen Innovationen und dem einem Fall der Modifikation einer Innovation würde diese Zahl gar auf 80 % ansteigen lassen. Daraus folgern wir, dass das Verfahren von Ramsey & Co. (2007) zur Bestimmung von Innovationen im Freiland auch tatsächlich geeignet ist. Die Verifizierungsstudie zeigte auch ein unerwartetes Resultat, nämlich eine bemerkenswert hohe Innovationsrate der Zoo-Orangutans. Diese Erkenntnis konnte dazu verwendet werden, um Licht ins Dunkle einer der verblüffendsten Beobachtungen über Kultur bei Menschenaffen zu bringen: die einzigartigen kulturellen Errungenschaften des Menschen, gegenüber der bescheidenen Kultur von Schimpanse oder Orangutan. Es wird argumentiert, dass diese Diskrepanz dadurch entstand, dass nur der Mensch kumulative Weiterentwicklung von Techniken betreiben kann. Kulturelle Elemente und Produkte des Menschen ändern sich im Laufe der Zeit, wobei verschiedene Individuen diese kumulativ in Richtung höherer Komplexität modifizieren, was als kumulative kulturelle Evolution oder als „Ratchet Effekt“ bezeichnet wurde (Tomasello & Co., 1993). Der zweite Gegenstand dieser Dissertation war daher die Fähigkeit für kumulative Weiterentwicklung von Techniken bei Zoo-Orangutans zu evaluieren. Es gibt bisher keine Hinweise für kumulative Weiterentwicklung von Techniken bei Orangutans, hingegen von Schimpansen gibt es ein paar Hinweise aus dem Freiland. Kürzlich wurde aber bei Zoo-Schimpansen festgestellt, dass sie eher konservativ sind und an der ihnen bekannten Technik festhalten, selbst nachdem man ihnen effektivere Alternativen vorgezeigt hat. Flexibilität im Problemlösen, im Sinne dass Individuen auch nach dem Ausüben einer ersten Lösungsmöglichkeit weiterhin Bereitschaft zeigen, neue Lösungswege zu akquirieren, sei es durch eigene Innovation oder durch soziales Lernen von einem anderen Individuum in der Gruppe, ist eine zwingende Grundvoraussetzung für kumulative Weiterentwicklung von Techniken und schliesslich auch für kumulative Kultur. Wir untersuchten, ob Zoo- Orangutans, anders als Zoo-Schimpansen, solche Flexibilität im Problemlösen zeigen würden. Dazu schränkten wir die Bedingungen in einem Experiment zweimal ein, indem zuvor bevorzugte Techniken zur Lösung des Problems verunmöglicht wurden. Unsere Orangutans zeigten tatsächlich grosse Flexibilität; sie gaben bevorzugte aber verunmöglichte Techniken auf und wechselten zu anderen Techniken, welche nicht nur funktional sondern auch effizient waren. Wenn neue Bedingungen auftreten, kann sich Flexibilität ultimativ auch in Innovationen ausdrücken, die kumulativ auf bisherigen Lösungswegen aufbauen. Und in der Tat erfanden unsere Versuchstiere zwei Techniken, die kumulative Weiterentwicklungen von früheren Techniken darstellten. Nachdem wir also zeigen konnten, dass Zoo-Orangutans die Fähigkeit für kumulative Weiterentwicklung von Techniken besitzen wenn die Bedingungen der Aufgabe erschwert wurden, untersuchten wir weiter, ob sie das auch bei konstanten Bedingungen noch tun. Wir stellten aber fest, dass das Auftreten von neuen Notwendigkeiten durch das Vereiteln bisheriger Lösungen eine Voraussetzung für die kumulative Weiterentwicklung von Techniken war. Kein Tier war unter sich nicht ändernden Bedingungen in der Lage, eine vorgegebene kumulative Technik zu lernen. Erst nachdem bisherige Lösungen zur Aufgabe vereitelt wurden schaffte es schliesslich ein Tier, die kumulative Technik zu erlernen. Zusammengefasst zeigten unsere Experimente, dass Zoo-Orangutans nicht nur viel innovativer sind als ihre wilden Artgenossen, sondern auch zu kumulativen Innovationen fähig sind, Innovationen also, welche kumulative Weiterentwicklung auf bisherigen Techniken darstellen. Wir fanden weiter, dass das Auftreten von neuen Notwendigkeiten, kreiert durch das Vereiteln bisheriger Lösungen, ein notwendiger Faktor war für die kumulative Weiterentwicklung von Techniken. Dies deutet darauf hin, dass das Fehlen von kumulativer Kultur bei Orangutans im Freiland nicht in mangelnder Flexibilität gründet wenn bisherige Lösungen nicht mehr taugen, und auch nicht mit einer generellen Unfähigkeit zu kumulativer Weiterentwicklung bestehender Techniken erklärt werden kann. Vielmehr tritt der dafür kritische Faktor, das Auftreten neuer Notwendigkeiten durch das Wegfallen der bisherigen Lösung(en), im Freiland kaum je in dieser Form auf, hingegen spielen andere Faktoren eine Rolle, die für die Objektmanipulation hinderlich sind und auch zu einer geringeren Neigung zu Innovationen bei freilebenden Orangutans führen.

Summary
Striking geographic variation in behavior provides evidence for culture in our closest living relatives, chimpanzees and orangutans. Culture consists of multiple innovations that have been socially transmitted within a population. Hence, innovation and social learning are the raw materials for traditions and culture. But compared to social learning mechanisms and how they allow novel learned behaviors to be transmitted in a group, the very occurrence of such novel learned behaviors, innovations, have received far less scrutiny, largely because of difficulties assessing the innovation status of behaviors. A recent attempt to recognize innovations in natural populations suggested by Ramsey et al. (2007) was inspired by techniques to infer culture from geographic patterns in behavior. The basic idea is that since cultural transmission of innovation results in geographically different behavioral repertoires among populations of the same species that cannot be explained by genetic or ecological factors alone, innovation status can be inferred to such behavior patterns. The approach of Ramsey et al. (2007) has been applied by van Schaik et al. (2006) to generate a list of 43 potential innovations in wild orangutans. Thus, the first objective was to validate that procedure for recognizing innovations. We did so by extending the comparison to a captive population of orangutans from Zoo Zurich. First, we created an inventory of the behavioral repertoire in the zoo populations; four of ten putative innovations recognized in the field and potentially observable in our captive population were verified as innovations based on their absence despite appropriate conditions. Second, we experimentally produced relevant conditions to evaluate the status of another five putative innovations from the wild. Four qualified as innovations and one as modification, based in one case on absence and in the remaining others on latencies of first occurrence across individuals relative to known behaviors. Because 53 % (8 of 15) of those putative innovations recognized in the field we investigated in this analysis were confirmed as innovations, and adding another three assigned possible innovation status and one modification would raise this figure to 80 %, we conclude that our findings largely confirm the assessments of innovations by van Schaik et al. (2006) and hence the geographic method for detecting innovations in the wild (Ramsey et al., 2007) is valid. One unexpected finding of this validation study was the remarkably high rate of innovation among captive orangutans. This finding could be used to shed light on one of the most striking findings of culture studies on wild great apes, namely the vast discrepancy in cultural accomplishments between humans and great apes. This discrepancy has been argued to be due to cumulative build-up of techniques being a human uniqueness. Human cultural variants tend to change over time, and many seem to accumulate modifications made by different individuals over time in the direction of greater complexity, which has been described as cumulative cultural evolution or the ratchet effect (Tomasello et al., 1993). The second objective of this thesis was therefore to evaluate captive orangutans’ ability for cumulative build-up of techniques. So far there has been no indication of cumulative build-up of techniques (ratcheting) in wild orangutans, unlike in chimpanzees where there are some possible examples from the field. But captive chimpanzees were recently found to be rather conservative, sticking to the technique they had mastered, even after more effective alternatives were demonstrated. Behavioral flexibility in problem solving, in the sense of individuals’ continued interest in and acquisition of new solutions to a task, through either innovation or social learning, after already having mastered a previous solution, is a vital prerequisite for cumulative build-up of techniques, and eventually for cumulative culture. We investigated whether captive orangutans would, in contrast to chimpanzees, show the behavioral flexibility necessary for cumulative build-up of techniques. We restricted the condition of a task twice, thereby making previously preferred techniques impossible. Orangutans indeed showed high behavioral flexibility, abandoning preferred techniques that had been made non-functional, and switching to different, functional and efficient techniques. As novel conditions arise, behavioral flexibility may ultimately be expressed by innovations that are solutions cumulatively building up on previous ones. Indeed, subjects eventually came up with two solutions that cumulatively built up on earlier ones. After having demonstrated that captive orangutans were capable of cumulative build-up on previous techniques as conditions of the task changed, we evaluated whether cumulative build-up of techniques was also possible under constant conditions. But we found those novel exigencies were indeed required for ratcheting. None of the subjects was able to learn a cumulatively built-up technique under unchanging conditions, only after previous solutions to the task had been made ineffective, one individual finally succeeded to learn the ratcheted technique. In conclusion, our results showed that captive orangutans are not only more innovative than their wild conspecifics, but captive orangutans are also capable to make ratcheted innovations (i.e. innovations that are solutions cumulatively building up on previous solutions). Novel exigencies inhibiting previous solutions to the task were found to be a factor stringently required for such cumulative build-up of techniques. This suggests that the lack of cumulative culture in wild orangutans is not due to a lack of behavioral flexibility when existing solutions to tasks become impossible, or an inability to cumulatively build up on previous solutions. Rather, this critical factor of novel exigencies inhibiting previous feeding techniques is mostly missing in the wild, while at the same time other factors are in place that are impeding object manipulation and also cause the low innovation tendency in wild orangutans.

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Item Type:Dissertation (monographical)
Referees:van Schaik Carel P, Burkart J M
Communities & Collections:07 Faculty of Science > Department of Anthropology
UZH Dissertations
Dewey Decimal Classification:300 Social sciences, sociology & anthropology
Uncontrolled Keywords:Evolutionäre Psychologie Und Vergleichende Kognition
Language:English
Place of Publication:Zürich
Date:2010
Deposited On:27 Jun 2012 14:25
Last Modified:15 Apr 2021 14:17
Number of Pages:119
OA Status:Green
  • Content: Published Version
  • Language: English