Abstract
Dieser Artikel untersucht biographisch erzählende Briefe an die "Liebe Marta", die das Thema Sexualaufklärung mit ansprechen. Dabei wird die Frage nach subjektiven Deutungsmustern gestellt: Wie wurde die eigenerlebte "Aufklärung" thematisiert? Wie wurden ihre Wirkungen verstanden und erklärt? Folgende Muster zeichnen sich ab: Die eigenerlebte Sexualaufklärung wurde als mangelhaft kritisiert, und dieser Mangel wurde mit dem Scheitern von intimen Beziehungen und mit sexuellen Problemen zusammengedacht. Erkennbar sind zudem geschlechtsspezifische Argumentationen: Wenn Frauen die eigenerlebte Sexualaufklärung thematisierten, erschienen fast immer auch sexuelle Unlust und Orgasmusprobleme, seltener auch sexuelle Übergriffe; Männer dagegen thematisierten zusammen mit ihrer Aufklärung nur selten Potenzprobleme, dafür aber fast immer Einsamkeit und Kontaktarmut sowie Scham- und Schuldgefühle. Sexualaufklärung wurde von den Schreibenden als etwas verstanden, was Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und die Beziehungsbiographie hatte.