Abstract
Ärzte leben vom Leiden ihrer Mitmenschen. Mit dieser schlichten und natürlich stark verkürzten Feststellung lässt sich ein Grunddilemma des medizinischen Marktes erfassen. Ärzte wollen Menschenfreunde sein, verstehen sich gerne als Helfer in der Not, als karitative Mitmenschen. Umso delikater erscheint die Frage nach der Bezahlung, die euphemistisch als «Honorar» bezeichnet wird. Wo heute Krankenkassen über die Peinlichkeit direkter Forderungen hinweghelfen, musste sich in vergangenen Zeiten der Heilkundige selbst um sein Einkommen kümmern. Kein Wunder, dass dieses Thema, so lange die Medizingeschichte von Ärzten geschrieben wurde, weitgehend tabu war. Ausnahmen bildeten vor allem positivistische Übernahmen historischer Texte von Ärzten, nach denen «Kurpfuscher» und als «abergläubisch» apostrophierte, meist weibliche Heilkundige Kranke betrogen und um ihr Geld gebracht hätten. Diese Literatur verstand den Begriff des «medizinischen Marktes» in erster Linie wertend, nämlich als eine Vielfalt medizinischer Angebote, die sie mit Ausnahme der akademischen Medizin als qualitativ minderwertig betrachtete.