Abstract
Die Kritik an der Moderne hat viele Gesichter. Eines davon ist der Heimatschutz, der als Institution in Graubünden seit 1905 gegen die neuen Architekturformen des 19. Jahrhunderts, gegen die Veränderung der Landschaft durch Kraftwerke, Hotelbauten und Bergbahnen sowie gegen den Verlust der Volkskultur kämpfte.
Zur selben Zeit wurde sogar die «rätoromanische Renaissance» zu einer eigentlichen Heimatbewegung. Doch wie kam in der Schweiz und in Graubünden überhaupt die Vorstellung auf, man müsse die Kultur der Alten aktiv fördern und die Natur schützen? Wer waren die Heimatschützer, und wie sahen sie die Bewohner dieser Heimat? Wie funktionierten Heimatschutz und Heimatstil damals in der Praxis? Diese Diskursgeschichte versucht als erste, dieses Phänomen in Graubünden bis 1945 umfassend darzustellen und zu erläutern. Es geht dabei nicht nur darum aufzuzeigen, dass der Heimatschutz in ein ganzes Ensemble ähnlicher Diskurse eingebunden war, sondern auch um Probleme der Macht bei der Erfindung einer neuen Sicht auf die Heimat.
Die Frage, ob Heimatschutz in Graubünden mit politischer oder nationaler Identität zu tun hatte, durchzieht die ganze Untersuchung. Am brisantesten wird sie angesichts der Kriegsgefahr Ende der 1930er-Jahre. Die Erhaltung des Schellen-Ursli-Dorfes Guarda 1939-1945 war damals ein Vorzeigeprojekt des Heimatschutzes. An Guarda erweist es sich am konkreten Einzelfall, ob es mit den grossen Ideen von Geistiger Landesverteidigung und nationaler Kulturwahrung wirklich so weit her war, wie es das Schweizer Geschichtsbild bisweilen vorgibt.