Abstract
Der Moskauer Gerichtsprozess gegen die Organisatoren der Ausstellung Verbotene Kunst 2006 wegen „Erregung religioser und nationaler Feindschaft“ trug deutliche Zuge einer theatralen Inszenierung: vom „Casting“ der Zeugen uber die Skripte der Zeugenaussagen hin zum Applaus des Publikums. Hierin zeigen sich Parallelen zu den Inszenierungspraktiken der sowjetischen politischen Schauprozesse. Doch vor allem ein Vergleich mit den theatralen Agitgerichten der fruhen Sowjetzeit verdeutlicht den moralischen Charakter dieses Gerichtsprozesses, der nicht nur gegen Einzelpersonen gefuhrt wurde. Vielmehr diente er der Propaganda neuer orthodox-traditionalistischer kunstlerischer Standards. Er versuchte, ein Exempel zu statuieren und mit juristischen Mitteln asthetische Kategorien zu manifestieren sowie staatliche Normen der Kunstproduktion zu reinstitutionalisieren.