Abstract
In den meisten Religionen wird Licht mit Manifestationen des Göttlichen in Verbindung gebracht. Auch die christliche Architektur machte sich seit ihren Anfängen die Effekte des dynamischen, in das Gebäude einfallenden Tageslichts zunutze, um spezifische Emotionen bei den Gläubigen hervorzurufen. Diese konnten durch unterschiedliche Strategien der Lichtführung hervorgerufen werden. Der frühchristliche Kirchenbau favorisierte die Orientierung der Apsis nach Osten, das Licht, das durch die grossen Fenster eindrang, war jedoch gefiltert durch die nur durchscheinenden Fensterfüllungen. In der romanischen Architektur scheint sich hingegen eine Lichtregie abzuzeichnen, die durch sparsame Dosierung und gezielte Steuerung des Lichts im Raumdunkel auf Hell-Dunkel-Kontraste setzte; möglicherweise ging die Reduktion der Fensterzahl und -grösse einher mit einer Aufwertung des Kerzenlichts in der Liturgie. Im Kontrast dazu tauchten die gotischen Glasfenster als erzählende leuchtende Oberflächen den Kirchenraum in ein sattes, farbiges Licht, das je nach Sonneneinfall auf den hell gestrichenen Oberflächen reflektierte. Die vollständig diaphane Wand, die das Fenster obsolet macht, wurde erst zum Thema im Kirchenbau der Moderne. War bis anhin vom Kircheninnern aus als Konstante kein «innerweltlicher» Himmel, sondern nur das davon abstrahlende Licht in verschiedenartigen Verfremdungen sichtbar, so hat er zumindest als Abbild in Arbeiten der Gegenwartskunst Einzug in den Kirchenraum erhalten.