Abstract
„Cross the border, close the gap!“ Während Leslie A. Fiedlers programmatische Forderung 1968 noch für Furore sorgte, ist die produktive Durchmischung von „E“ und „U“, „ernsthafter“ und „unterhaltender“ Kultur längst selbstverständlich geworden. Sog. Quality-TV-Serien wie „Downton Abbey“ werden enthusiastisch rezensiert; Journalisten bezeichnen sich stolz als „Serienjunkie“. Der „Schmutz und Schund“-Diskurs ist aber keineswegs überholt, wie eine Analyse der Debatten zum letztjährigen Bestseller „Shades of Grey“ zeigt: Zum einen reproduziert sich die vermeintlich überwundene Dichotomisierung in einer neuen Binnendifferenzierung von „U“ in „EU“, d.h. ernst zu nehmende Unterhaltung (z.B. Krimi), und „UU“, Unterhaltung aus der untersten Schublade (z.B. Porno), die als populäres Phänomen einer ernsthaften Beschäftigung für unwürdig befunden wird. Der „Spiegel“-Artikel vom 5. Juli 2012 mit dem Titel „Sadomaso-Bestseller „Shades of Grey“: Das Leben kann so stöhn sein“ spricht im Lead denn auch dezidiert diejenigen an, die mitreden wollen, „ohne das Ding zu lesen“, und wer den Bestseller kennt, merkt unweigerlich, dass auch mediale Kommentatoren gerne über „das Ding“ schreiben, ohne es gelesen zu haben. Dass mit der Taxierung des Werkes als „Mommy Porn“ gleichzeitig langlebige genderspezifische (Ab-) Wertungen aktualisiert werden, ist ebenfalls augenfällig. Zum andern wird vehement literarische Distinktion eingefordert, wenn die vermeintlich mangelnde Qualität der Autorin mit Hinweis auf ihre Tätigkeit als ehemalige Fan-Fiction-Produzentin belegt wird – wodurch die andernorts gefeierte, für digitale interaktive Medien typische zunehmende Vermischung von „producer“ und „user“ zum „produser“, von „reader“ und „writer“ zum „wreader“ wieder in Frage gestellt wird.