Abstract
Der Artikel hinterfragt kritisch die in der Medizin verbreitete Vorstellung, dass Personen mit Intersexualität nur dann eine befriedigende Sexualität leben können, wenn ihre Geschlechtsorgane chirurgisch möglichst dem weiblichen oder männlichen Geschlecht angepasst werden, sodass »heterosexueller« Geschlechtsverkehr möglich wird. Ergebnisse der Hamburger Studie zu Intersexualität bestätigen den bisherigen Forschungsstand, dass die sexuelle Lebensqualität von Personen mit Intersexualität deutlich geringer ist als diejenige von Menschen mit eindeutigem Geschlecht. Somit ist das Ziel der Medizin, Personen mit Intersexualität mittels geschlechtsangleichender Operationen eine möglichst »nonnale« psychosexuelle Entwicklung zu ermöglichen, bisher nicht erreicht worden. Die Autorinnen und Autoren plädieren dafür, den heterosexistischen Diskurs in der medizinischen Behandlung von Personen mit Intersexualität zu überdenken und vielmehr die sexuelle Lebensqualität der betroffenen Menschen ins Zentrum zu rücken. Dies umfasst weit mehr als »heterosexuelles« Funktionieren und steht in einem Zusammenhang mit psychosozialen Faktoren wie beispielsweise positiven Bindungserfahrungen in der Kindheit oder einer tragenden Partnerschaft.